Eine 40-Jährige steht vor Gericht, weil sie ihren Ex-Freund aus Liebeskummer niedergestochen haben soll. Ihre Anwälte zweifeln aber an dieser Version.

Leonberg - Im Prozess gegen eine Leonbergerin, die sich vor dem Stuttgarter Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten muss, hat eine Rechtsmedizinerin ausgeschlossen, dass sich deren Ex-Freund die Stichverletzungen mit dem Küchenmesser selbst beigebracht hat. Dieses Szenario hatten die beiden Verteidiger der 40-Jährigen beim Prozessauftakt in den Raum gestellt. „Wenn man die Kriterien für eine Selbstverletzung zur Anwendung bringt, dann ist das Verletzungsbild absolut untypisch“, erklärte die Fachärztin für Rechtsmedizin bei ihrem Gutachten.

 

Menschen, die sich mit einem Messer in den Bauch stächen, seien entweder suizidgefährdet oder hätten eine Psychose, was sie aber in Bezug auf den 33-Jährigen nicht für zutreffend halte. Damit sorgte sie sowohl bei der Verteidigung als auch beim Oberstaatsanwalt für Unverständnis. Denn diese wollten bei dem Mann nichts von einer normalen Psyche wissen – zumal er sich früher als Borderliner immer wieder selbst verletzt hatte und ihm nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie auch psychotische Störungen unter Einwirkung von Drogen attestiert wurden. Wie sich die Psychose auf seine vor Gericht gemachten Aussagen auswirken kann, darüber soll ein Gutachten Aufschluss geben. Der 33-Jährige hatte es abgestritten, sich das Messer selbst in den Bauch gerammt zu haben.

Das Opfer hätte an den Folgen der Verletzungen sterben können

Obwohl eine akute Lebensgefahr bei dem Mann nicht bestanden hatte, so hätten dessen Verletzungen durchaus ein tödliches Ende nehmen können. „Immer wenn die Bauchhöhle geöffnet wird, können innere Organe verletzt werden, sodass die Verletzung lebensbedrohlich verlaufen kann“, erklärte die Rechtsmedizinerin.

Die Messerstiche in die Bauchdecke könnten auch nach der Notoperation im Krankenhaus schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Laut der Medizinerin ist es denkbar, dass sich Verwachsungen bilden und zu einem Darmverschluss führen – ein lebensbedrohliches Krankheitsbild.

Bei dem zunächst verbal geführten Streit im vergangenen Januar hatte auch die Angeklagte Schädelprellungen, kleine Schnittwunden und eine Platzwunde an der Lippe davongetragen. Deshalb wurden auch gegen den 33-Jährigen Ermittlungen wegen einer möglichen Körperverletzung eingeleitet. Später wurden diese aber von der Staatsanwaltschaft wieder eingestellt, weil sie von Notwehr ausging.

Wer hat denn nun zugestochen?

Am zweiten Verhandlungstag kam ein befreundetes Pärchen der beiden zu Wort. Diese berichteten davon, dass der Geschädigte der „aggressive Part“ in der Beziehung gewesen sei. Dies konnte auch der frühere Nachbar nur bestätigen – er gab vor Gericht an, dass die 40-Jährige immer wieder von ihrem Freund geschlagen worden sei. Der Nachbar war auch derjenige, der in der Tatnacht die Polizei alarmiert hatte, nachdem der 33-Jährige blutüberströmt und mit den Worten „Schau mal, sie hat mit einem Messer auf mich eingestochen“ an seiner Haustür aufgeschlagen war.

Im weiteren Verlauf des Prozesses vor der 9. Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts soll auf Antrag der Verteidigung die Mutter der Angeklagten eine Aussage zu einem früheren Vorfall machen. Sie war offenbar zugegen, als der 33-Jährige aus Wut einen Glastisch zerbrach und die Angeklagte mit einer Glasscherbe bedrohte. Ferner möchte das Gericht einen Polizeibeamten hören, der nach dem eingegangenen Notruf am Tatort eingetroffen war. Ihm gegenüber soll die Leonbergerin erklärt haben, dass sich ihr Ex-Freund selbst in den Bauch gestochen habe.

Vor Gericht machte die 40-Jährige bislang keine Angaben zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen.

Der Prozess wird fortgesetzt.