Erika Moser ist im Eine-Welt-Laden Mitarbeiterin der allerersten Stunde. Nach 36 Jahren gibt die betagte Dame aus Gerlingen nun das Ehrenamt auf. Fehlen wird vor allem ihr Humor.

Leonberg - Es ist Donnerstag, 10 Uhr, im Eine-Welt-Laden. Erika Moser steuert mit ihrer fachlichen Expertise das Honigregal an. „Der flüssige Honig rinnt Ihnen über die Finger. Wenn Sie das wollen, nehmen Sie ihn“, sagt die 88-Jährige mit einem verschmitzten Lächeln, bevor sie das Beratungsgespräch mit einem fundierten Ratschlag beendet: „Ich nehme immer den festen, der rinnt mir nämlich nicht über die Finger.“

 

Wer sich in dem Geschäft am Marktplatz mit fair gehandeltem Honig, Kaffee oder Schokolade aus Ländern der Dritten Welt hin und wieder eindeckt, dem ist die Dame, die immer einen Witz auf Lager hat, sicherlich nicht unbemerkt geblieben. „Ein kecker Spruch auf den Lippen – das war auch mein Markenzeichen“, sagt die Gerlingerin, die nach 36 Jahren ehrenamtlicher Arbeit in ihren sozusagen zweiten Ruhestand geht.

Keine Mühen gescheut

Strapazierte Lachmuskeln, die gab es immer donnerstags. Denn Donnerstag war Spaßtag. Das wussten viele, und deswegen kamen sie in Scharen, wenn die Stimmungskanone ihre Frühschicht antrat. Dafür hatte die bei Kunden und Kolleginnen beliebte Frau keine Mühen gescheut. Nicht selten und das sogar, als sie die 80 längst hinter sich hatte, ging es wegen der schlechten Busverbindung schon mal nach dem Feierabend zu Fuß auf die Schillerhöhe. Dies war nicht zuletzt der Grund, weshalb sie jetzt ihr Ehrenamt an den Nagel hängt. „Langsam wurde es mühsam“, sagt die Frau, der vor allem der Heimweg im Winter zu schaffen machte.

Erika Moser ist Mitarbeiterin der allerersten Stunde. Noch als die Pläne für das Fair-Trade-Geschäft in der Schublade lagen, unterstützte sie die initiierenden Vikare der evangelischen und katholischen Kirche, wo sie nur konnte. „Anfangs hatten wir die Waren noch in einem Pfarrhauskeller gelagert“, erinnert sich die Gerlingerin, die über ihr Engagement in der Kirche dazu stieß. In einem Gremium der evangelischen Bezirkssynode leistete sie nämlich schon damals Aufbauhilfe in Ländern der Dritten Welt. 1978 wurde das Geschäft noch unter dem Namen Dritte-Welt-Laden in der Zwerchstraße eröffnet, 2002 folgte der Umzug in die Räumlichkeiten am Marktplatz.

Es geht um die Qualität

Aus dem Nischenmarkt entstand im Laufe der Zeit ein boomendes Segment. „Kauften die Kunden früher vor allem aus Solidarität ein, kommen sie nun wegen der Qualität der Produkte“, sagt die 88-Jährige. Was aber bis heute unverändert blieb, sei das ethische Ziel des Weltladens. „Den armen Menschen in Südamerika, Asien und Afrika zu helfen, ist noch immer nötig“, betont die Gerlingerin, die sich an der „Geiz ist Geil“-Mentalität stört. „Beim Einkaufen gilt der Blick nur dem Preis, woher das Produkt stammt, spielt leider keine Rolle.“

Menschen zu helfen, das war zeitlebens ihre Mission. Was Leid und Not bedeutet, weiß die aus Zell im Wiesental bei Lörrach stammende Frau schließlich aus eigener Erfahrung, hatte sie doch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bewusst und hautnah miterlebt. Der Weg vom zerfallenen Dritten Reich zur rückständigen Dritten Welt ist nicht weit.

Als Deutschland noch geteilt war, tat sie sich mit anderen Engagierten zusammen und tüftelte eine Hilfsaktion für die ehemalige DDR aus. Mit finanzieller Unterstützung des Diakonischen Werks machte sie Menschen in Hirschberg an der Saale eine kleine Freude, indem sie ihnen regelmäßig Päckchen schickte mit vielem, das im Osten nur schwer zu bekommen war. Bis heute veranstaltet sie in der Gerlinger Matthäuskirchengemeinde – dort ist sie übrigens seit mehr als 50 Jahren aktiv und war lange Zeit Kirchengemeinderätin – einmal im Monat einen Café-Nachmittag, an dem Waren aus dem Weltladen gekauft werden können. Für das vielseitige ehrenamtliche Wirken wurde sie mit einem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet.

„Langweilig wird mir nicht“

Wie sie künftig den freien Donnerstag gestaltet, das weiß sie zwar noch nicht. „Doch auch wenn meine drei Kinder längst aus dem Haus sind, langweilig wird es mir ganz sicher nicht“, sagt die studierte Bibliothekarin, die eigener Aussage nach ein Geschichtsbuch nach dem anderen verschlingt und vor allem an warmen Tagen stets eine Beschäftigung in ihrem Garten mit allerlei Gemüse und Blumen findet.

Sicher ist auch: Erika Moser wird hinter der Theke des Eine-Welt-Ladens am Marktplatz schmerzlich fehlen.