Steinmetze aus der Region stellen ein Jahr lang ihre eigens für die Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ geschaffenen Arbeiten unter freiem Himmel aus.

Leonberg - Der aufmerksame Besucher der Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben. Steinmetzarbeiten auf der alten Autobahntrasse“ wird beim Lesen des Faltblatts schnell bemerken, dass zwei der beteiligten Steinbildhauer den Namen Failmezger tragen. Jörg Failmezger („Mutter Erde“) und Till Failmezger sind Vater und Sohn. Der Vater stand viele Jahre als Obermeister der Steinmetz- und Steinbildhauerinnung Ludwigsburg-Böblingen-Rems-Murr vor. Als Künstler und Steinmetz setzt Till Failmezger nun gemeinsam mit seinem Vater die traditionsreiche, seit 1873 in Pleidelsheim bestehende Steinmetzwerkstatt in fünfter Generation fort.

 

Dreiergruppe aus gleichwertigen Teilen

Zwei der titelgebenden Ecksteine sind von Till Failmezger aus Weilheimer Sandstein gefertigt. Trotz ihrer unterschiedlichen Höhe bilden sie mit dem aufrecht stehenden Quader aus gepresstem Autoschrott eine Dreiergruppe aus gleichwertigen Teilen. Alle drei können im übertragenen Sinne als Ecksteine betrachtet werden, denn dieser Begriff ist mehrdeutig. Im eigentlichen Wortsinn ist ein Eckstein der Hauptstein an der Ecke eines Bauwerks und damit dessen entscheidender Teil. Der Eckstein wird zur Stabilisierung im Mauerwerk eingesetzt und hat neben der gestalterischen Funktion vor allem tragende Funktion. Von alters her verbindet sich mit dem Eckstein die Vorstellung seiner schützenden Wirkung, die durch Ornamente und Muster beispielsweise auf Ecksteinen und Pfosten von Fachwerkhäusern noch verstärkt werden kann. Im übertragenen Sinn weist ein Eckstein darauf hin, worauf sich eine Idee hauptsächlich stützt. Beispielsweise wird Jesus Christus in der Bibel mehrfach als Eckstein des Glaubens bezeichnet. In diesem Sinne könnten die drei Ecksteine in Till Failmezgers Kunstwerk als tragende Stützen eines gedanklichen Bauwerks interpretiert werden. Natur verbindet sich mit Architektur und bildet einen spannungsvollen Gegensatz zur unbrauchbar gewordenen Technik.

Für die natürliche Umwelt steht ein weitgehend naturbelassener Bruchstein, in den der Steinmetz feine Linien eingeritzt hat. Diese Steinzeichnung zeigt hochgewachsene Pflanzen mit Blüten und Trauben. Ein Vogel zwitschert in diesem paradiesischen Bild. Für die von Menschen gebaute Umwelt mag die sorgfältig aus einem Stück gearbeitete Steinmauer stehen, die unterschiedlich bossierte Steinquader nachbildet. Solches Quadermauerwerk besteht bei einem Gebäude eigentlich aus einzelnen massiven Natursteinquadern. Auf dem Mauerwerk sind eine sorgfältig gearbeitete Eidechse und ein Schneckengehäuse zu erkennen. Folgt man nun der traditionellen Vorstellung von der schützenden Wirkung der Darstellungen auf Ecksteinen so stehen die Eidechse und die Schnecke als Sinnbilder für Tod und Auferstehung.

Hinweis auf einen Kinder-Abzählreim

Und nun kommt das Schrottauto ins Spiel, das für alle Skulpturen in dieser Ausstellung als Ausgangspunkt gedient hat. Jeder beteiligter Bildhauer sollte eine Verbindung zwischen dem Korpus eines gepressten Schrottautos und einer handwerklich gefertigten Steinskulptur herstellen. Till Failmezger zeigt die drei „Ecksteine“ unserer modernen Gesellschaft nebeneinander und formal gleichwertig ohne erhobenen Zeigefinger. Es bleibt jedoch die Frage offen, welches der drei Elemente zur Selbsterneuerung fähig ist. Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, dass das Ausstellungsgelände viele Jahrzehnte als Autobahn gedient und sich nun in ein Naturschutzgebiet verwandelt hat.

Abschließend soll in diesem Zusammenhang noch an den lustigen Auszählreim erinnert werden, der von Kindern beim Versteckspielen gerufen wird: „Eck- um Eck- um Eckstein, alles muss versteckt sein…“.

Unsere Autorin

Christina Ossowski
In loser Folge stellt Christina Ossowski die insgesamt 19 Skulpturen der Ausstellung „Grenzüberschreitungen erleben“ vor, die noch bis zum 3. Juni 2018 auf der alten Autobahntrasse zu sehen sind. Seit 1991 war Christina Ossowski bei der Stadt Leonberg tätig und hat viele Jahre das Kultur- und Sportamt, das später umbenannt wurde in Amt für Kultur, Erwachsenenbildung, Sport und Stadtmarketing, geleitet. Seit 1. Februar ist sie in Ruhestand. arno