Die Umleitung durch die Leonberger Altstadt führt durch eine verkehrsberuhigte Zone. Anwohner klagen über Raser in der engen Gasse, in der nur Schritttempo erlaubt ist. Sie fühlen sich im Stich gelassen von der Stadt.

Leonberg - Der Feierabend naht. Immer mehr Autos biegen in die Altstadt ein und nutzen die inoffizielle Umleitung für die gesperrte Grabenstraße. Roland Bulling steht gegenüber seines Haues in der Schmalzstraße und beobachtet die Autofahrer genau. Die ersten beiden rollen ganz langsam die enge Gasse hinunter. Doch kurz danach rast ein schwarzer Kombi heran. Vielleicht sind es nur 30 Stundenkilometer, doch in der beengten Straße fühlt es sich an wie viel mehr. „Spielstraße!“, ruft Bulling aufgebracht dem Kombifahrer durch das offene Seitenfenster zu. Dieser bremst, es entspinnt sich ein hitziges Wortgefecht, das schnell von einem Hupkonzert der nachfolgenden Autos begleitet wird.

 

Roland Bulling und die anderen Anwohner sind sauer. „Die Raserei in dieser Straße ist beispiellos“, sagt Bulling. Dabei ist in dem verkehrsberuhigten Bereich nur Schritttempo erlaubt (siehe Infobox). Es sei schon schlimm, wenn Mütter morgens ihre Kinder in die Spitalschule oder die Kindertagesstätte im Spitalhof am unteren Ende der Straße fahren. Doch die Umleitung gibt den Anwohnern den Rest. Hupende Autofahrer, wüste Beschimpfungen, nächtliche Raser – mit der Ruhe in dem verkehrsberuhigten Teil der Altstadt ist es längst vorbei.

Roland Bulling und seine Nachbarn haben die Stadtverwaltung um Hilfe gebeten, um eine Lösung des Problems. Geschwindigkeitskontrollen, Bodenschweller, zusätzliche Schilder, Kontrollen durch das Ordnungsamt – die Anwohner haben verschiedene Vorschläge gemacht. Es gab Gespräche mit Ordnungsamtsmitarbeitern und E-Mail-Verkehr. Bislang ohne Erfolg. „Leonberg lässt seine Bürger im Stich“, meint Bulling.

Bei der Stadtverwaltung hört man das nicht gern. „Die Alternative wäre, die Altstadt komplett zu sperren“, sagt Erhard Wieland vom Bauamt. „Doch dann wäre die Altstadt tot“, fügt Roger Roth hinzu, der Leiter des Tiefbauamts. Die Sanierung der Grabenstraße sei eine Operation am offenen Herzen, meint der Leiter des städtischen Ordnungsamtes, Jürgen Beck. „Der Verkehr muss aber trotzdem fließen“, sagt er. Für die Größe der Aufgabe, die gestemmt werden müsse, laufe es aber gut.

„Meine Mitarbeiter sind jeden Tag im Einsatz. Aber ich kann sie nicht rund um die Uhr nur in der Altstadt einsetzen“, meint der Ordnungsamtsleiter, der auf weitere Aufgaben neben dem Verkehrswesen verweist. Dafür stehen ihm normalerweise fünf Kräfte zur Verfügung, in den Ferien aber nur drei. „Uns geht es auch nicht um die paar Euro Verwarnungsgeld, sondern darum, dass der Verkehr fließt“, sagt Beck.

Die Situation in der Schmalzstraße sei schwierig. Die letzte Geschwindigkeitskontrolle habe es vor zwei Wochen, also vor Ferienbeginn, gegeben. Doch weitere fasst man nun ins Auge. Schweller kämen aus Sicht der Verkehrssicherheit nicht in Frage, der Bode sei ohnehin schon sehr uneben.

Bleibt die Frage der Beschilderung. Das Zeichen, dass den Beginn der verkehrsberuhigten Zone anzeigt, steht in der Straße Hinterer Zwinge kurz vor der Einfahrt zur Parkkaverne. Bis zur Schmalzstraße sind es da noch zwei Kurven. „Wir prüfen, ob wir im Hinteren Zwinger ein weiteres Schild anbringen, das besser sichtbar ist. Für einen verkehrsberuhigten Bereich sind jedoch nur zwei Schilder vorgesehen: eines, wo er beginnt, und eines, wo er endet“, erklärt der Ordnungsamtsleiter. Den Vorschlag der Anwohner, dass Spielstraßen-Schild direkt auf die Straße zu malen, werde man prüfen. Eine solche Markierung hat laut Beck keine Rechtsfunktion und sei im Gegensatz zu einem richtigen Schild rechtlich möglich. „Aber als reine Erinnerung ist es sicherlich sinnvoll“, sagt Beck.

Genau 170 Fahrzeuge in 30 Minuten hat Roland Bulling am ersten Tag der Baustelle gezählt. Mittlerweile sind es weniger, auch, weil die Umleitung durch die Altstadt zeitraubend ist. „Es gibt auch immer mehr Fahrer, die angemessen durch unsere Straße fahren“, sagt der Leonberger.

Aber eben noch nicht genügend. Deshalb sind die Anwohner mittlerweile zu einer Art passivem Widerstand übergegangen. „Wir kämpfen mit legalen Mitteln“, sagt Bulling. Man laufe auf der Straße. Zum Be- und Entladen halte man mit dem Auto vor der eigenen Haustür. Er selbst hat ein Schild gebastelt und an seinem Haus angebracht. „7 km Spielstraße“ steht darauf. Noch vier Wochen müssen die Bewohner der Schmalzstraße durchhalten. So lange bleibt die Grabenstraße voll gesperrt. Danach wird sie zumindest Richtung Neue Stadtmitte freigeben.

Was ist eine Spielstraße?

Verkehrsberuhigter Bereich
Hier darf nur mit Schritttempo gefahren werden. Laut Gerichtsurteilen ist das eine Geschwindigkeit von maximal sieben Kilometern pro Stunde. Der verkehrsberuhigte Bereich beginnt beim Verkehrsschild (siehe links) und endet erst dann , wenn das gleiche Schild mit einem roten Balken durchgestrichen ist. Es ist eine Zonenbeschilderung, die auch für alle folgenden Straßen gilt.

Wer darf was? Autos und Fußgänger sind grundsätzlich gleichberechtigt. Allerdings dürfen die Fußgänger durch den Verkehr nicht gefährdet oder behindert werden. Gleichsam sind sie angehalten, die Autos nicht unnötig aufzuhalten. Parken ist nicht erlaubt, nur zum Ein- und Aussteigen oder Be- und Entladen. Kinder dürfen in diesem verkehrsberuhigten Bereich überall spielen.