619 Menschen müssen derzeit von der Stadt untergebracht werden. Darunter sind Obdachlose und Flüchtlinge mit Bleiberecht.

Leonberg - Es ist nicht mehr die Meldung Nummer 1. Aber das heißt nicht, dass keine Flüchtlinge mehr kommen.“ Als der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid diesen Satz vor knapp zwei Wochen im Sozialausschuss sagte, ahnte er sicher nicht, dass das Thema eine so aktuelle und dramatische Wende nehmen würde. Wenn es jetzt in den Berichten darum geht, Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen oder keine Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland reinzulassen, hat das nur auf den ersten Blick wenig mit Leonberg zu tun.

 

Asylbewerber bleiben meist anderthalb bis zwei Jahre in Einrichtungen der Länder und später der Landkreise, bis ihre Anträge beschieden werden. Erst dann gehen sie in die Obhut der Kommunen über, wenn sie keine eigene Wohnung finden. Das wäre dann ab Ende 2021 der Fall. „Derzeit werden uns rund 50 Menschen pro Jahr vom Landkreis zugewiesen“, sagt Vonderheid. Nicht eingerechnet sei dabei der Familiennachzug, bei dem Menschen mit Bleiberecht Angehörige nachholen können. Das seien im vergangenen Jahr nur zwölf Personen gewesen.

Es gibt gleich mehrere Probleme

Zum Ende des Jahres 2019 waren 619 Menschen in städtischen Wohnungen untergebracht. 396 davon als sogenannte Anschlussunterbringung (Asylbewerber mit Bleiberecht oder Duldung). Die übrigen sind Menschen, die auf dem hiesigen Wohnungsmarkt keine Bleibe finden oder ihre Wohnung verloren haben, etwa weil Mietschulden bestehen oder ihnen wegen Eigenbedarf gekündigt wurde. Auch diesen Menschen muss die Stadt ein Dach über dem Kopf bieten, ist gesetzlich dazu verpflichtet.

Doch dabei sieht sich Leonberg mit zwei Problemen konfrontiert. „Die Menschen bleiben in unseren Unterkünften, weil sie sich hier keinen Wohnraum leisten können“, sagt Gabriele Schmauder vom städtischen Familienamt. Es gebe kaum „Abfluss“. Das andere Problem: Der Stadt stehen künftig immer weniger Wohnungen zur Verfügung. So wurden eigene Apartments auf dem Postareal leer gezogen, da dort schon im letzten Jahr der Abriss beginnen sollte. Dazu enden mehrere Mietverträge in diesem und dem nächsten Jahr, die nicht verlängert werden. Davon sind 44 Menschen in diesem und 37 im kommenden Jahr betroffen. Zusammen sind das 81, was 13 Prozent der bisherigen Plätze entspricht. Zusagen für Wohnungen gebe es bislang nicht. „Wir verdichten bereits sehr stark“, sagt Schmauder. Das heißt, jeder Person stehen nur die zehn Quadratmeter Platz zu, die vorgeschrieben sind. „Es ist zu erwarten, dass die derzeitigen Kapazitäten Ende 2020 erschöpft sind“, verdeutlicht Ulrich Vonderheid. Spätestens Anfang 2021 könne die Stadt ihre gesetzlichen Verpflichtungen zur Unterbringung nicht mehr erfüllen.

Grundstück dringend gesucht

Deshalb sucht man seitens der Verwaltung nach einem geeigneten Grundstück für eine neue städtische Unterkunft, wie sie in den zurückliegenden Jahren in Höfingen in der Nähe des neuen Friedhofs sowie in Eltingen im Gebiet Niederhofen gebaut wurden. Vor allem der Bau in Eltingen hatte zu heftigen Protesten von Anwohnern geführt. Mittlerweile hat sich die Lage beruhigt. „Wir wollen bis zur Jahresmitte eine Entscheidung treffen“, sagt der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid. Das Geld habe man bereits im Haushalt eingestellt. „Die Zeit der Zuschüsse ist allerdings vorbei“, sagt er. „Die Zeit, in der man uns Wohnungen und Häuser anbot, ist wahrscheinlich auch vorbei“, meint Dirk Jeutter (CDU) dazu. „Die Vergrößerung des Bosch-Standortes in Leonberg werde die Situation auf dem Wohnungsmarkt noch weiter verschärfen“, sagt Gitte Hutter (Linke). Sie verweist zudem darauf hin, dass andere städtische Unterkünfte, etwa in der Dieselstraße oder In der Au schon deutlich in die Jahre gekommen sind. „2021 wird schneller kommen, als wir denken“, mahnt sie.

Wer ist betroffen?

Gesamt: Ende 2019 waren 619 Menschen in 288 Haushalten in den städtischen Unterkünften untergebracht.

Wohnungslose: Das waren zum Jahreswechsel 223 Personen in 149 Haushalten. Darunter sind 34 Kinder in 30 Familien und 119 alleinstehende Personen.

Anschlussunterbringung: Das waren zum Jahreswechsel 396 Personen in 139 Haushalten. Darunter sind 172 Kinder in 65 Familien sowie 74 alleinstehende Personen.