Leonberger Krankenhaus-Debatte Der Druck von außen wird immer größer

Im Kreistag berichten Mediziner, wie sehr Vorgaben von Bund und Land die Arbeit vor Ort beeinträchtigen. Der Mangel an Fachkräften wird immer gravierender. Alle Fraktionen sprechen sich für die drei Klinikstandorte aus.
Leonberg - Die meisten Probleme kommen von außen. Denn es sind vor allem der Fachkräftemangel und die politischen Vorgaben, die die Arbeit in den Krankenhäusern des Klinikverbundes erschweren. Das ist die Erkenntnis einer dreistündigen Debatte, die der Kreistag am Montagnachmittag zum Medizinkonzept geführt hat. Allen Schwierigkeiten zum Trotz soll aber am Bestand der drei Kliniken im Landkreis nicht gerüttelt werden.
Es waren die öffentlichen Diskussionen um eine mögliche Schließung der Gynäkologie in Leonberg und einer eventuellen Reduktion in der Unfallchirurgie, die den Landrat veranlasst hatten, die Planungen für die Zukunft der kommunalen Kliniken auf die Tagesordnung zu setzen. Roland Bernhard lud dazu nicht nur die drei Ärztlichen Direktoren von Sindelfingen, Leonberg und Herrenberg und den Geschäftsführer des Klinikverbundes, Martin Loydl, ein, sondern auch Christian Wallwiener.
Der Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung WMC Healthcare berät den Klinikverbund auf dem Weg zu einer Neustrukturierung. Er machte den Kreisräten nur wenig Hoffnung, dass das mittelfristige Ziel einer schwarzen Null problemlos zu erreichen sei.
„Die Schere zwischen Vergütungen und den Kosten medizinischer Leistungen klafft immer mehr auseinander“, sagte er. Entsprechend wachse das Defizit. Strukturvorgaben aus der Bundespolitik machen das Geschäft noch schwieriger. Wenn ein Krankenhaus beispielsweise eine Mindestmenge an Operationen nicht erfülle, gebe es im Folgejahr von den Kassen kein Geld.
Eine zu erwartende Erhöhung der Mindestbesetzung in den Kliniken erschwere die Lage noch mehr, es müsste dann selbst nachts mehr Personal vorgehalten werden. Personal, das schwierig zu finden sei.
20 Prozent der Leistungen nach Böblingen
Das ist besonders für die kleineren Häuser ein Problem, erklärte Wallwiener. Damit die geplante Großklinik am Flugfeld funktioniert, müssten Leonberg und Herrenberg 20 Prozent ihrer jetzigen Aufgaben nach Böblingen abgeben. Dazu könnte auch der heiß diskutierte Nachtdienst in der Unfallchirurgie gehören. Ein finanziell positives Ergebnis, so meinte der Mediziner, sei machbar, wenn in den kleinen Häusern nur noch ambulant behandelt würde.
Dass das niemand will, machten nicht nur der Landrat und die Sprecher aller Fraktionen klar, sondern auch der Geschäftsführer: „Zu uns können die Patienten an jedem Standort rund um die Uhr kommen“, erklärte Martin Loydl. „Eine hochwertige Betreuung geht aber nur, wenn wir unsere Leistungen bündeln.“
Mit welchen aberwitzig erscheinenden Problemen die kleinen Häuser konfrontiert werden, das schilderten die Ärztlichen Direktoren. „Unsere wirtschaftlichen und medizinischen Ergebnisse waren früher nicht schlecht“, berichtete Michael Jugenheimer aus Herrenberg. Doch immer neue Vorschriften machten ein erfolgreiches Arbeiten zusehends schwieriger.
Chefarzt als Waschschwester
Um als Darmkrebszentrum anerkannt zu werden, seien mindestens drei Spezialisten nötig. Doch der Markt sei so gut wie leer gefegt. In Herrenberg, so schilderte Jugenheimer, habe sich sogar ein Chefarzt zur Waschschwester ausbilden lassen, um während des Nachdienste OP-Geräte reinigen zu können. Eine Mitarbeiterin mit dieser Qualifikation habe man nicht gefunden.
Michael Sarkar aus Leonberg konnte die Nöte des Kollegen nur unterstreichen. „Finden wir in der Zukunft Oberärzte, die in jeder dritten Nacht Dienst machen?“, fragte der Chef der Unfallchirurgie mit Blick auf die Mindestbesetzung. Dennoch sieht er die Zukunft seines Hauses optimistisch. Die für rund 60 Millionen Euro vorgesehene Sanierung sei ein „starkes Signal“, ebenso wie die Berufung des renommierten Bauchspezialisten Wolfgang Steurer zum Chefarzt der Chirurgie. Medizinische Qualität, so Sarkar, sei nicht immer eine Frage der Hausgröße.
Zwischen Portalklinik und Qualität
Um die Mindestmengen zu erfüllen, müssten die Operationen aller drei Häuser zusammengenommen werden. Dafür sprachen sich Helmut Noë (CDU) und Heiderose Berroth (FDP) aus. Auch die wirtschaftlichen Ergebnisse müssten verbundweit gesehen werden. Wenn die kleineren Häuser Leistungen an die Großklinik abgeben müssen, dürfe das kein Nachteil für sie sein.
Eine klare Definition des Begriffs Basisversorgung forderte Werner Metz. „Im Moment eiern wir zwischen Portalklinik und Qualitätsversorgung“, kritisierte der Freie Wähler. Das verunsichere die Bevölkerung.
„Eine wohnortnahe Klinik gehört zur Daseinsversorgung und muss keine Gewinne erwirtschaften“, kommentierte Günther Wöhler (SPD) die Kostendebatte.
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