Leonberger Stadtgeschichte Wie lebte eine Bäckersfrau vor 150 Jahren?
Dort wo heute am Leonberger Marktplatz das Café Trölsch ist, war früher die Bäckerei Hegele. Eine Stadtführung gibt Einblicke in die damalige Zeit.
Dort wo heute am Leonberger Marktplatz das Café Trölsch ist, war früher die Bäckerei Hegele. Eine Stadtführung gibt Einblicke in die damalige Zeit.
Eigentlich ist es das Wirtschaftsbuch einer Bäckersfrau, doch auch eine beredte Chronik der Leonberger Stadtgesellschaft der 1880er Jahre. Lydia Hegele war das Herz, die Seele und der kühle Kopf der „Brot- u. Feinbäckerei G. Hegele“ am Marktplatz. Ihre nüchternen Einträge zeigen sie aber auch als eine liebevolle und treusorgende Mutter, als eine gute Partnerin ihres Mannes und gefragte Ratgeberin für ihre vier Schwestern.
Ihre Notizen zeichnen ein vielfältiges Bild der Menschen in der 2500-Einwohner-Stadt. Sie geben Einblicke in ihre Freuden und Nöte, ihre Hoffnungen und Erwartungen. Das Buch gehört heute zum Bestand des Leonberger Stadtarchivs. Es ist für Ina Dielmann vom Archiv die Vorlage für ihre kostümierte Stadtführung „Kulinarische Zeitreise mit der Bäckersfrau“ am Samstag, 9. März, 14.30 Uhr, durch die Altstadt.
Geboren wurde Lydia Hegele am 18. Juli 1851 in Leonberg als Tochter von Johann Balthas Horrer und Sophie Friederike Josenhans als eines von zwölf Kindern. Der Vater ist Adlerwirt und fährt als Fuhrunternehmer den Omnibus nach Stuttgart. Sie besuchte eine Mädchenschule, machte eine hauswirtschaftliche Ausbildung und trat einen Dienst bei einer anderen Familie an
Am 13. Juli 1876 heiratet Lydia mit 25 Jahren den sechs Jahre älteren Bäckermeister Gottlieb Albrecht Hegele. Das Paar bekommt sieben Kinder von denen Lydia (1879), Gustav (1880), Gotthold (1882) und Paul (1888) erwachsen werden. Gottlieb bringt die zweijährige Tochter Amalie mit in die Ehe. Diese wird später zu der engsten Freundin und Vertrauten ihrer Stiefschwester Lydia.
Die Bäckerei am Leonberger Marktplatz, wo heute das Café Trölsch steht, hatte Lydias Mann von seinem Vater Jakob Hegele erworben. Lydia arbeitete in der Bäckerei beim Verkauf und kümmerte sich um die kleine Landwirtschaft der Familie, mit Wiesen und Obstgärten und Kartoffelanbau, auch Schweine wurden gehalten. Aus dem Wirtschaftsbuch geht hervor, dass der Pferdemarkt bei gutem Wetter ein großes Geschäft war. Die Kinder mussten manchmal beim Verkauf helfen – oder auch Ware noch vor Besuch der Schule ausliefern.
Der Gottesdienst war ein sozialer Treffpunkt, die Familie zog ihre beste Kleidung an und die Hegeles hatten eine eigene Kirchenbank mit Namensschild. Die Konfirmation der Kinder war immer ein besonderes Ereignis, er gab neue Kleider und ein großes Fest für die ganze Familie. All diejenigen, die den Kindern ein Geschenk schickten, bekamen als Dank Kuchen dafür.
Was es bei solchen Festen zu essen gegeben hat, erfahren die Teilnehmer der Führung am Samstag. Sie bekommen zudem einen Einblick ist das besonders gute Verhältnis von Lydia Hegele zu ihrer ein Jahr älteren Schwester Sophie, bei der sie nach dem Tod der Mutter 1873 drei Jahre bis zur Heirat verbrachte. Die resolute Sophie führte den Schwarzen Adler bis sie 1887 Paul Lauffer heiratete und die Gaststätte an die Familie Bammesberger verkauft wurde. Sophie wird nun die Sonnenwirtin. Die Hegeles gaben 20 Mark als Hochzeitsgeschenk. Lydia bekam von Sophie eine goldene Uhr samt goldener Kette .
Aus den Aufzeichnungen von Wolfgang Hegele, dem Enkel von Lydia Hegele, der das Wirtschafts- und Tagebuch seiner Großmutter dem Stadtarchiv ausgehändigt hat, geht hervor, dass es die Bäckerei Hegele auf dem Marktplatz bis in die 1950er Jahre gab. Sohn Gustav führte die Familienbäckerei weiter – später dann dessen Sohn Albrecht.
Die Tochter Lydia (1879-1963) blieb unverheiratet und hat in Calw einen Tante-Emma-Laden betrieben. Hier lebte auch ihre Stiefschwester Amalie, die mit Albert Schaudt aus Calw verheiratet war.
Die Zeitreise in das Jahr 1888 mit Ina Dielmann startet am Brunnen auf dem Leonberger Marktplatz. Dort empfängt „Lydia Hegele“ ihre Gäste und lüftet das erste Geheimnis. Es folgt eine 60-minütige Kostümführung durch die Altstadt, bei der die vielbeschäftigte Bäckersfrau ihr Leonberg zeigt und Einblicke in ihr Haushaltstagebuch gibt.
Nach der Stadtführung kehren Frau Hegeles Gäste in die Gegenwart zurück und besuchen das Café Trölsch. Hier können sie versuchen, ihr weitere Geheimnisse zu entlocken: Vielleicht gibt sie ja ein altes Familienrezept preis oder bringt ein „Versucherle“ aus der Backstube mit? Passend dazu versüßt das Trölsch-Team die Kostümführung mit einem gemütlichen Kaffeeplausch.
Die Führung mit Ina Dielmann findet am Samstag, 9. März um 14.30 Uhr, statt. Treffpunkt ist am Marktbrunnen. Gebühr pro Person: 16 Euro, inklusive Kaffee und Kuchen. Anmeldung und Karten beim i-Punkt im Rathaus, Telefonnummer: 07152/9901407.