Was ist die Rolle der Medien? Zwölf Leser der StZ haben das am Thema Christian Wulff mit StZ-Redakteuren diskutiert – unter anderem mit Armin Käfer, dem Leiter der Berliner Redaktion.

Stuttgart - Bundespräsident Christian Wulff hat in den vergangenen Wochen viel Gesprächsstoff geliefert. Dabei sind einige Fragen noch immer unbeantwortet. Hat Christian Wulff gravierende Verfehlungen begangen, gar gegen Gesetze wie das niedersächsische Ministergesetz verstoßen, und sollte er zurücktreten? Welche Rolle spielen die Medien im Fall des Bundespräsidenten? Kommen sie nur ihrer aufklärerischen Verantwortung nach oder betreiben sie eine Kampagne? Über diese Fragen ist in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert worden, und auch die Stuttgarter Zeitung hat Leserbriefe mit heftigen Reaktionen bekommen.

 

Zwölf Leser der StZ haben am Mittwoch die Chance genutzt, das Thema mit Mitgliedern der Redaktion zu diskutieren, unter anderem mit Armin Käfer, dem Leiter der Berliner Redaktion. Die meisten der Leser vertraten die Meinung, dass die StZ sich nicht der teils reißerischen Berichterstattung anderer Blätter angeschlossen hat. „Die Stuttgarter Zeitung berichtet mit Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, aber auch aufklärend“, sagte beispielsweise Stephan Buchmann. Helga Greiner-Kober bewertete die Rolle der Medien im Fall Wulff dagegen sehr kritisch. „Die Medien äußern mir zu viel Meinung. Mir ist es lieber, wenn sie über die Fakten berichten.“

Auf Wulff versteift?

Bei der Fülle an Vorwürfen, vom Überlassungsvertrag eines Handys bis hin zum geschenkten Bobbycar für seinen Sohn, wünschten sich die Leser einen Gesamtüberblick, aber auch mehr inhaltliche Tiefe. „Die Zeitung soll Denkanstöße geben und die Geschichte auch einmal von einer anderen Seite beleuchten“, sagte Mareike Jerger. Zudem wollte Kathrin Grix wissen: „Welche Motivation hatten die Leute, die Christian Wulff Dienste oder Gegenstände vergünstigt zur Verfügung gestellt haben?“

Angesichts der öffentlichen Debatte kam in der Runde die Frage auf, ob die Medien nicht andere wichtige Themen vernachlässigten. „Haben sich die Medien auf den Fall Wulff versteift und können nicht mehr loslassen? Andere Themen wie das Handelsabkommen Acta sind dagegen verschlafen worden“, sagte Teresa Tropf. In der Runde war ein Misstrauen gegenüber der Politik zu spüren. Andererseits kam auch die Frage auf, ob die Ansprüche der Bevölkerung an die Politiker nicht zu hoch sind. „Christian Wulff ist im Grunde 24 Stunden am Tag Politiker. Da ist es sehr schwer, eine Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleben zu ziehen“, sagte Kathrin Grix. Und Mathias Kohler erklärte: „In der jüngsten Vergangenheit scheinen Politiker in regelmäßigen Abständen zu bemerken, dass das Eis unter ihnen dünn wird.“

Bernhard Völker hat seine Entscheidung bereits gefällt: „Ich will Herrn Wulff nicht weiter im Amt sehen.“ Einen Rücktritt hält Helga Greiner-Kober nicht für angemessen. „Er hat seine Lektion gelernt und eine weitere Chance verdient.“ Sie würde sich wünschen, dass die Diskussion um Wulff beendet wird, weil sie einen weiteren Rücktritt eines Bundespräsidenten sehr skeptisch sehe. Der Politik-Ressortleiter Rainer Pörtner gibt jedoch zu bedenken, dass die Presse eine Verantwortung habe, Missstände aufzudecken: „Wir können nicht von vornherein alle etwaigen Folgen berücksichtigen und die Berichterstattung danach ausrichten. Das würde die journalistische Freiheit zu stark einengen.“