Was ist der Unterschied zwischen Blockaden der Letzten Generation und Aktionen der Landwirte? Beide verursachen Stau und Frust bei vielen Verkehrsteilnehmern.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

„Straffrei fürs Klima nur mit Traktoren?“ und „Ich bin ein Traktor!“ haben sich Aktivisten der Gruppe Letzte Generation auf ihre selbst gebastelten, symbolischen Fahrgestelle geschrieben, mit denen sie am Mittwoch im Berufsverkehr demonstrierten. Langsam gingen sie mit den Konstrukten aus Holzlatten und Pappe von der Heilbronner Straße in Richtung Hauptbahnhof. Festgeklebt hatte sich dieses Mal niemand. Stattdessen nahmen die Demonstrierenden mit gemalten Bildern von Traktoren auf der Straße Platz. Die Aktivistin Helea Möbus erklärte, warum die Letzte Generation auf die Bauernproteste Bezug nahm: „Die Bauernproteste sind der Beweis dafür, dass Straßenblockaden und Proteste mit massiven Verkehrsbeeinträchtigungen wirksam sind! Offensichtlich sogar ohne dabei kriminalisiert zu werden“, sagte sie.

 

Die Traktoren der Bauern-Proteste sind ein Thema bei der Klima-Demo Foto: red/Bock

In den zurückliegenden Tagen ist viel über den Unterschied zwischen den Protestaktionen der Landwirte und der Letzten Generation diskutiert worden. Warum dürfen die Bauern mit ihren Traktoren Straßen blockieren, was zum Teil zu massiven Verkehrsbehinderungen führt, während gegen die Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzorganisation hart vorgegangen wird? Mischa Bareuther, der Sprecher der Stuttgarter Gruppe, kommentierte: „Bauern bekommen politisches Gehör. Wir werden hier heute bestraft. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Mein Holzgestell wurde beschlagnahmt. Wenn ich einen Traktor hätte, wäre mir das nie passiert.“ Mehrere Aktivisten erhielten Platzverweise. Die Polizei hatte nach Rücksprache mit der Stadt als Versammlungsbehörde die Sitzblockade aufgelöst und mehrere Teilnehmende weggetragen.

Immer wieder kommt dabei das Argument, die Landwirte hätten ihre Demos angemeldet und mit den Behörden abgestimmt. Nun sieht aber das deutsche Versammlungsrecht auch die Möglichkeit einer Spontandemonstration vor. Als solche könnte man auf den ersten Blick die Aktionen der Letzten Generation werten.

So einfach ist es aber nicht – und nicht nur, weil die Aktivistinnen und Aktivisten zu Hause Schilder gebastelt und sich verabredet haben und folglich nicht spontan auf die Straße gegangen sind. „Bei den angemeldeten Versammlungen der Landwirte waren die Straßenverkehrsbehörde, die Branddirektion, die Landesvollzugspolizei, der Rettungsdienst sowie die SSB im Vorfeld am Verfahren beteiligt“, erläutert der städtische Pressesprecher Harald Knitter. Man habe daher ein umfassendes Verkehrskonzept erstellen können. Auch Rettungskräfte hätten sich auf die Verkehrsbeeinträchtigungen einstellen können, indem sie ihre Einsatzrouten entsprechend planten. Beim stationären Teil der Versammlung – also etwa der Kundgebung auf der Querspange am Montag in Stuttgart – musste eine Rettungsgasse gebildet werden. Das war eine Auflage, welche die Stadt als Versammlungsbehörde erteilt hatte, teilte der Pressesprecher mit. Die Teilnehmenden hätten das auch umgesetzt.

Die Letzte Generation habe sich bei ihren Aktionen festgeklebt. Das habe zu einer längeren Beeinträchtigung geführt. Da die Demos nicht angekündigt waren, habe man nicht im Vorfeld alles mit den Behörden abstimmen können – insbesondere kein Verkehrskonzept, erklärt Knitter. Zudem unterscheide das Gesetz zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Blockaden. Eine sogenannte Verhinderungsblockade sei rechtswidrig. Sie würde also – egal ob Landwirte oder Klimaschutzgruppe – nicht erlaubt werden. Das heißt aber nicht, dass eine Verkehrsfläche nie für einen Protest oder eine Kundgebung verwendet werden darf: Der Sprecher der Stadt verweist auf das Beispiel eines Picknicks auf der Bundesstraße, für das der Verkehr umgeleitet wurde.