Die Zahl der vom Sozialamt betreuten Fälle steigt stetig an.

Leonberg - Der Vater macht gerade eine Wandlung durch, die die fünf Kinder der Großfamilie mit Sorge sehen. Obwohl die Familie schon lange in Deutschland wohnt, hat sie hier wie in der alten Heimat gelebt. Die Mutter führt den Haushalt, sie hat die Kinder erzogen und hat dabei kaum Kontakt zum Umfeld gepflegt, während der Vater gelegentlich arbeitet.

 

Nachdem die Religion bei dem Vater nun eine immer wichtigere Rolle spielt, er sich einen Salafistenbart wachsen ließ und seine Anschauung immer mehr rückwärtsgerichtet wurde, kam es zu einem heftigen Konflikt in der Familie. Der Vater wurde immer autoritärer und wollte allen seine Lebensanschauungen vorschreiben. Zudem sollten alle Kinder das von ihnen verdiente Geld bei ihm abliefern, damit er ihre Ausgaben steuern kann.

Der zweitälteste der fünf Kinder, der jüngst 20 wurde, in Deutschland geboren wurde und hier auch aufgewachsen ist, wollte damit nichts mehr zu tun haben. „In einem Gespräch bei uns sagte er, dass er sich nicht sein ganzes Leben vorschreiben lassen wolle“, berichtet Jürgen Rein von den Sozialen Diensten der Stadt. Als der junge Mann rebellierte, wurde er im Streit aus der elterlichen Wohnung hinausgeworfen. Ohne Dach über dem Kopf, kam der junge Mann in einer Obdachlosenunterkunft der Stadt unter.

Doch von den widrigen Umständen unterkriegen hat sich der 20-Jährige nicht lassen und eine Ausbildung in einem Kleinbetrieb aufgenommen. „Dessen Inhaber ist begeistert von den Fähigkeiten des jungen Mannes und kümmert sich ganz toll um ihn“, hat Jürgen Rein erfahren. Weil er sich nicht im Amt gemeldet hat, sind nun Schulden für die Nutzung der Obdachlosenunterkunft angefallen und da will „Lichtblicke“ dem jungen Mann beistehen.

„Manch einer kommt zu kurz“

„Angesichts der Steigerung der Fälle können wir nicht immer eine intensive Betreuung anbieten und da kommt der eine oder andere mal zu kurz“, weiß Rein. Allein von Juni 2015 bis September 2017 ist die Zahl der Fälle im Sozialamt von 134 auf 209 angestiegen, die aber immer noch von dem auf 2,4 Stellen verteilten Mitarbeiter der Sozialen Dienste betreut werden. Einiges an Entlastung soll die halbe Stelle eines Flüchtlingsbeauftragten bringen, die im November eingerichtet wurde.

Von den 209 Fällen sind mehr als 100 alleinstehende Personen, die den höchsten Betreuungsaufwand in Anspruch nehmen. Hinzu kommen angesichts des angespannten Wohnungsmarktes immer mehr Obdachlose in die Betreuung des Sozialamtes. Allein von 2007 bis 2016 ist die Zahl der Obdachlosen von 22 auf 51 angestiegen.