Mit einer originellen Beschwerde hat eine junge Frau ihrem Unmut über Zugverspätungen und -ausfälle auf Facebook Luft gemacht. In einer Art Liebesbrief droht sie der Bahn mit Trennung – und die spielt das Beziehungsspiel gekonnt mit.
Stuttgart - Der Zug kommt mal wieder zu spät oder fällt sogar ganz aus – da ist der Ärger der Bahnfahrer programmiert. Mit einer saftigen Beschwerde kann sich der gemeine Bahnkunde Luft machen, in heutigen Zeiten geht das ganz einfach auf der Facebook-Präsenz der Bahn. Ihre Kritik an Verspätungen und Zugausfällen geäußert hat auch eine junge Frau aus Brandenburg. Sie hat aber einen sehr charmanten Weg gewählt, um ihren Ärger zu formulieren: Mit einer Art Abschieds-Liebesbrief an die Bahn. Innerhalb kürzester Zeit wurde ihr Facebook-Post im Internet der Renner, mehr als 1.500 „Gefällt mir“-Angaben zeugen davon.
„Meine liebste Deutsche Bahn, seit vielen Jahren führen wir nun eine abenteuerliche Beziehung. Wir haben Tiefen überstanden, in denen du sehr einengend und besitzergreifend warst und mich manchmal überraschend mehrere Stunden festgehalten hast, weil es dir nicht gut ging.“ So beginnt die Facebook-Beschwerde der 25-jährigen Franzi aus Jüterbog. Sie hatte sich darüber geärgert, dass ihr Zug nach Berlin ausgefallen war. Bei klirrender Kälte habe sie 45 Minuten am Bahnsteig gewartet, irgendwann seien die Anzeigetafeln zum nächsten Zug gesprungen. Eine Durchsage, was los ist – Fehlanzeige. „Nachdem ich völlig durchgefroren nach Hause fuhr, war ich echt sauer“, sagt Franzi.
Sie wollte sich bei der Bahn beschweren, allerdings nicht mit einer destruktiven Hetztirade. „Das ist einfach nicht mein Stil“, erklärt sie. Und so kam die Idee, ihren Unmut so kundzutun, als handele es sich um eine Beziehungsgeschichte: „Dass du mich jetzt aber bei klirrender Kälte fast 45 Minuten warten lässt ohne Bescheid zu sagen und dann gar nicht auftauchst, das geht nun wirklich zu weit. [...] Es tut mir sehr leid, aber ich denke nun wirklich über eine endgültige Trennung nach“, schreibt Franzi an die Deutsche Bahn. Sie habe jemanden kennengelernt: „Er nennt sich Opel und ist immer für mich da.“
Auf Facebook entbrennt ein origineller Kundendialog
Und siehe da: Nur wenige Minuten nach ihrer Beschwerde reagierte Maik, ein Mitarbeiter des Facebook-Teams der Bahn – und spielte Franzis Spiel mit. „Hallo meine liebste Franzi Do, es tut mir so leid. Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit viele Fehler gemacht habe und nicht immer pünktlich bei unseren Treffen war. Dafür möchte ich mich in aller Form bei Dir entschuldigen. [...] Das wir heute einen Termin hatten, habe ich total vergessen.“ Schnell reagieren und Antworten geben, das ist für Andreas Fuhrmann, den stellvertretenden Sprecher Personenverkehr, die wichtigste Funktion des Kundendialogs auf Facebook. „Pro Tag werden von unserem Social-Media-Team rund 200 qualifizierte Antworten auf Facebook und Twitter gegeben“, erklärt Fuhrmann. Die Deutsche Bahn scheint aus den Erfahrungen eines Shitstorms auf Facebook im Jahr 2010 gelernt zu haben. Damals wollte die Bahn mit einem Sparangebot Kunden auf ihre Facebook-Seite locken – stattdessen gab es massive Beschwerden über Verspätungen. Darauf war die Bahn damals nicht vorbereitet, das ganze endete in einem PR-Desaster.
Nach Franzis Beschwerde entspinnt sich stattdessen ein Kundendialog wie aus dem Social-Media-Lehrbuch, den tausende Facebook-Nutzer gespannt verfolgen. Viele User schalten sich in das Gespräch ein, es finden sich sogar Kommentare von Opel und Renault. Auch die Social-Media-Beauftragten der beiden Autohersteller spielen das Spiel der Beziehungskiste mit und buhlen um Franzis Gunst.
„Postings wie das von Franzi Do gab es in der Vergangenheit schon ähnliche. Aber so poetisch wird Kritik selten formuliert“, sagt Maik vom Facebook-Team der Bahn. Franzi gibt zu, dass sie sehr überrascht über die sympathische Reaktion der Bahn war: „Ich fand das echt super! Ein bisschen Spaß muss eben sein und dennoch wurde das eigentliche Thema dahinter nicht vergessen.“ In ihrem Brief an die Bahn drohte sie zwar mit der Trennung und dem Umstieg aufs Auto, trotzdem wird sie der Bahn treu bleiben: „Die Alternative wäre noch kostspieliger.“ Aber sie freut sich über die vielen Rückmeldungen auf ihre originelle Facebook-Beschwerde: „Meine Message ist angekommen.“