Aus den kleinen Anfängen ist bis heute ein global agierendes Unternehmen mit Hauptsitz in den USA geworden, die Europazentrale operiert von Großbritannien aus. Produziert und vertrieben werden Multivitaminpillen und Protein-Shakes, Omega-3-Fettsäuren, Pülverchen zum leichteren Abnehmen und Körperpflegeprodukte. Die sogenannten Vitalstoffe – der Renner schlechthin – vertreibt Lifeplus zwar nicht explizit unter diesem Namen, dennoch begegnet man dem Begriff immer und überall, wenn man sich mit Lifeplus-Anhängern unterhält.

 

Vor der Halle sitzen zwei Besucherinnen aus Bonn in der Sonne und rauchen. „Ich hatte ständig Kopfschmerzen und jahrelang Meningitis“, erzählt die eine. „Nach ein paar Wochen der Einnahme von Vitalstoffen hatte ich nichts mehr.“ Dass in den Lifeplus-Pillen nachgewiesenermaßen eine um ein Vielfaches zu hoch dosierte Vitamindosis enthalten sei, störe sie nicht. „Wenn ich so Zeug im Drogeriemarkt kaufe, ist noch Chemie beigemischt – da nehme ich doch lieber das von Lifeplus.“ Und überhaupt: Großartig sei dieses Event, ein unglaublicher Spirit herrsche in der Stuttgarter Messehalle. Lifeplus habe eine „sanfte Revolution“ in Gang gesetzt, es gehe hier einfach nur um ganz viel positives Denken.

Ein paar Meter weiter steht ein Mann Mitte dreißig und vespert einen Supreme-Riegel, Inhaltsstoffe: Magnesium, Kalzium, Vitamine D, B12, B2, B6 sowie Niacin. Er sei berufsunfähiger Maler, erzählt der Mann, sein Arzt habe ihm kein langes Leben prognostiziert. Doch dann habe er Lifeplus kennengelernt, nun gehe es ihm körperlich sehr gut und mental sowieso. Denn bei Lifeplus sei Zwischenmenschliches sehr wichtig. Aber warum wirkt das Event wie die Werbeveranstaltung einer Sekte? „Ist doch schön, wenn sich alle als eine große Familie fühlen. Hast du keine Familie?“

Große Versprechen

Der Vertrieb des riesigen US-Konzerns, der keinerlei Zahlen bezüglich Umsatz und Gewinn herausgibt, basiert auf dem sogenannten Multi-Level-Marketing, kurz MLM: Person A – nennen wir sie Anna – kauft und konsumiert Lifeplus-Produkte, etwa um abzunehmen. Ihre Freundin Beate, Person B, findet sich ebenfalls zu dick und kauft auf Empfehlung von Anna nun auch das Produkt. Für diese Empfehlung erhält Anna einen Bonus in Höhe von fünf Prozent. Eine dritte Person, Christiane, interessiert sich nun dafür und bestellt wiederum bei Beate. Für diesen Schritt erhält Beate einen Bonus von fünf, Anna einen von 25 Prozent. Christiane ist nun so begeistert, dass auch sie die Produkte weiterempfiehlt, nämlich an Doreen. Kauft diese ein, erhält Christiane dafür fünf und Beate 25 Prozent, Anna als erstes Glied in der Kette und Ursprungsverkäuferin streicht immerhin noch zehn Prozent ein. Der Bonus für Anna ist allerdings an eine Bedingung geknüpft: Sie muss noch drei weitere sogenannte „aktive Beine“ haben, also Partner, die jeden Monat zu einem Mindestbetrag bei Lifeplus bestellen. Je mehr Partner Anna wirbt und je mehr Menschen unter ihr als ihre „Downline“ arbeiten, umso höher ist ihr eigener Verdienst, und umso schneller kommt sie an die begehrten Sonderauszeichnungen von Bronze über Silber und Gold bis Diamant. Für die besonders Fleißigen gibt es zusätzlich Sternchen.

Diese Vertriebsstruktur wirkt wie ein Schneeballsystem – das wäre hierzulande verboten. Doch Lifeplus bedient sich eines legalen Tricks: Man muss kein eigenes Kapital einsetzen, es geht lediglich um die Weiterempfehlung der Produkte. Zumindest theoretisch. Praktisch funktioniert das System so: Kauft man nicht selbst jeden Monat Produkte im Wert von etwa 60 Euro ein – Lifeplus rechnet in den sogenannten Internationalen Punkten (IP) – ist man nicht provisionsberechtigt. Bei rund 60 Euro im Monat kommt jeder Einzelne also auf Ausgaben von etwa 720 Euro pro Jahr.

Lemon erzählt seine Geschichte, wie er sie schon oft und an vielen Orten erzählt hat: Als er vor vielen Jahren als Pharmazeut seine Apotheken betrieben habe, habe er irgendwann festgestellt, dass die meisten Menschen zu viele Medikamente genommen hätten. „Sie mussten Arzneien schlucken, um die Nebenwirkungen anderer Arzneien zu lindern“, sagt er. Schließlich, vor etwa 25 Jahren, habe er dann den jungen Arzt Dwight McKee getroffen und mit ihm gemeinsam seine persönliche Vision wahr gemacht: allen Menschen mittels pflanzlicher Präparate zu helfen und ihnen damit „zu einem besseren, glücklicheren Leben“ zu verhelfen. Die Idee und das Unternehmen Lifeplus waren geboren.

Rechtliche Grauzone

Aus den kleinen Anfängen ist bis heute ein global agierendes Unternehmen mit Hauptsitz in den USA geworden, die Europazentrale operiert von Großbritannien aus. Produziert und vertrieben werden Multivitaminpillen und Protein-Shakes, Omega-3-Fettsäuren, Pülverchen zum leichteren Abnehmen und Körperpflegeprodukte. Die sogenannten Vitalstoffe – der Renner schlechthin – vertreibt Lifeplus zwar nicht explizit unter diesem Namen, dennoch begegnet man dem Begriff immer und überall, wenn man sich mit Lifeplus-Anhängern unterhält.

Vor der Halle sitzen zwei Besucherinnen aus Bonn in der Sonne und rauchen. „Ich hatte ständig Kopfschmerzen und jahrelang Meningitis“, erzählt die eine. „Nach ein paar Wochen der Einnahme von Vitalstoffen hatte ich nichts mehr.“ Dass in den Lifeplus-Pillen nachgewiesenermaßen eine um ein Vielfaches zu hoch dosierte Vitamindosis enthalten sei, störe sie nicht. „Wenn ich so Zeug im Drogeriemarkt kaufe, ist noch Chemie beigemischt – da nehme ich doch lieber das von Lifeplus.“ Und überhaupt: Großartig sei dieses Event, ein unglaublicher Spirit herrsche in der Stuttgarter Messehalle. Lifeplus habe eine „sanfte Revolution“ in Gang gesetzt, es gehe hier einfach nur um ganz viel positives Denken.

Ein paar Meter weiter steht ein Mann Mitte dreißig und vespert einen Supreme-Riegel, Inhaltsstoffe: Magnesium, Kalzium, Vitamine D, B12, B2, B6 sowie Niacin. Er sei berufsunfähiger Maler, erzählt der Mann, sein Arzt habe ihm kein langes Leben prognostiziert. Doch dann habe er Lifeplus kennengelernt, nun gehe es ihm körperlich sehr gut und mental sowieso. Denn bei Lifeplus sei Zwischenmenschliches sehr wichtig. Aber warum wirkt das Event wie die Werbeveranstaltung einer Sekte? „Ist doch schön, wenn sich alle als eine große Familie fühlen. Hast du keine Familie?“

Große Versprechen

Der Vertrieb des riesigen US-Konzerns, der keinerlei Zahlen bezüglich Umsatz und Gewinn herausgibt, basiert auf dem sogenannten Multi-Level-Marketing, kurz MLM: Person A – nennen wir sie Anna – kauft und konsumiert Lifeplus-Produkte, etwa um abzunehmen. Ihre Freundin Beate, Person B, findet sich ebenfalls zu dick und kauft auf Empfehlung von Anna nun auch das Produkt. Für diese Empfehlung erhält Anna einen Bonus in Höhe von fünf Prozent. Eine dritte Person, Christiane, interessiert sich nun dafür und bestellt wiederum bei Beate. Für diesen Schritt erhält Beate einen Bonus von fünf, Anna einen von 25 Prozent. Christiane ist nun so begeistert, dass auch sie die Produkte weiterempfiehlt, nämlich an Doreen. Kauft diese ein, erhält Christiane dafür fünf und Beate 25 Prozent, Anna als erstes Glied in der Kette und Ursprungsverkäuferin streicht immerhin noch zehn Prozent ein. Der Bonus für Anna ist allerdings an eine Bedingung geknüpft: Sie muss noch drei weitere sogenannte „aktive Beine“ haben, also Partner, die jeden Monat zu einem Mindestbetrag bei Lifeplus bestellen. Je mehr Partner Anna wirbt und je mehr Menschen unter ihr als ihre „Downline“ arbeiten, umso höher ist ihr eigener Verdienst, und umso schneller kommt sie an die begehrten Sonderauszeichnungen von Bronze über Silber und Gold bis Diamant. Für die besonders Fleißigen gibt es zusätzlich Sternchen.

Diese Vertriebsstruktur wirkt wie ein Schneeballsystem – das wäre hierzulande verboten. Doch Lifeplus bedient sich eines legalen Tricks: Man muss kein eigenes Kapital einsetzen, es geht lediglich um die Weiterempfehlung der Produkte. Zumindest theoretisch. Praktisch funktioniert das System so: Kauft man nicht selbst jeden Monat Produkte im Wert von etwa 60 Euro ein – Lifeplus rechnet in den sogenannten Internationalen Punkten (IP) – ist man nicht provisionsberechtigt. Bei rund 60 Euro im Monat kommt jeder Einzelne also auf Ausgaben von etwa 720 Euro pro Jahr.

Die Professorin Claudia Groß von der Universität Nijmegen betrachtet diese Vertriebsstruktur kritisch: Das Unternehmen agiere in einer rechtlichen Grauzone. „Die Kriterien für die Definition eines Schneeballsystems treffen nicht zu, weil jedes Mitglied von Lifeplus automatisch auch Geschäftspartner wird und somit kein normaler Verbraucher mehr ist“, sagt die Expertin für Empfehlungsmarketing. Auch bezüglich des Verdienstes schlüpfe Lifeplus immer in eine Nische: Das Unternehmen vermeide es partout, den Kunden und Partnern Einkommensversprechen zu machen.

Die zwei Worte „finanzielle Unabhängigkeit“ kommen freilich in Werbemitteln und im direkten Dialog mit Lifeplus-Leuten ständig vor. Von Freiheit wird gesprochen und von Chancen, von Inspiration und ziemlich viel vom Glücklichsein. Gleichzeitig ist das Unternehmen aber auch sehr vorsichtig. „Denken Sie daran: Lassen Sie sich nicht von Behauptungen irreführen, hohe Einnahmen seien leicht zu erzielen“, steht in einem Flyer.

Wie wirbt Lifeplus?

Das eigentliche Problem sieht die Expertin Claudia Groß bei den Vertrieblern selbst, von denen es zwei Sorten gebe. „Zum einen gibt es die Personen, die null Ahnung von der Materie Ernährung und Gesundheit haben, aber dennoch in diesem Bereich beraten. Diese Leute werden zwar von Lifeplus geschult, aber eben immer nur produktabhängig.“ Die andere Sorte wiederum seien die Vertriebler mit Fachwissen, also etwa Mediziner, Heilpraktiker und Apotheker. Hier vertraue der Käufer auf deren Expertise, was der Verkäufer wiederum missbrauche: „Denn derjenige, der diese Produkte empfiehlt, verdient ja nicht an der Beratung, sondern am Produkt selbst – es kann hier also gar keine unabhängige Empfehlung stattfinden, sondern es wird einfach nur das Produkt empfohlen.“ Bei Unternehmen mit einer ähnlichen Vertriebsstruktur wie Tupperware sei das in Ordnung, bei Nahrungsergänzungsmitteln halte sie das für fatal.

Welche Versprechungen gemacht werden, hat beispielsweise die Mutter eines behinderten Kindes erfahren. Sie wandte sich kürzlich an die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mit der Frage, was von Lifeplus-Produkten eigentlich zu halten sei, weil sie Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Unternehmens habe. Über ihre Yogalehrerin hatte sie eine Heilpraktikerin kennengelernt, die ihr wiederum weismachen wollte, dass durch die richtige Gabe der sogenannten Vitalstoffe Krebs oder Gendefekte heilbar seien. „Solche Thesen sind absoluter Humbug und auch nicht rechtens“, betont Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale. Ähnlich wie jene Heilpraktikerin schürten viele Lifeplus-Verkäufer Erwartungen bei ihren Kunden, die nicht eingehalten werden könnten, so Manthey. „Und das, obwohl offiziell keiner der Lifeplus-Vertriebler ein Gesundheitsversprechen machen darf.“

Auch Dwight McKee weiß das. Der Amerikaner mit dem grauen Schnauzbart ist Bob Lemons Kompagnon und der wissenschaftliche Direktor von Lifeplus. Sorgfältig vermeidet er medizinische Aussagen und Versprechen, lieber redet er davon, den Menschen den „Weg zu einem besseren, gesünderen und glücklicheren Leben“ zu zeigen. Was Lifeplus tue, gründe auf einer Jahrtausende alten Wahrheit, ruft er ins Publikum. Dann sagt er aber doch: „Genexpressionen verändern unsere Gesundheit. Mit Lifeplus können wir die Langlebigkeit und die Gesundheit der nächsten Generation verändern!“. Dann verlässt er unter riesigem Jubel der Menge die Bühne.