Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)
Wer soll die Wohnungen bauen? Das private Kapital scheint das nicht zu reizen.
Genauso wie Private bauen können, können das auch Genossenschaften tun oder öffentliche Träger. Und genauso wie man Privaten Steuererleichterungen gewährt, kann man Kommunen Zuschüsse geben, so dass sich der soziale Wohnungsbau für sie trägt. Über reine Marktunternehmen ohne Förderung können sie es aber nicht machen, weil sie keine kostendeckende Mieten erzielen.
Ihre Vorstellungen müssen bezahlt werden, zumal Sie ja auch andere Sozialleistungen verteilen wollen. Das geht doch nur über Verschuldung?
Wir haben ordentliche Steuereinnahmen und einen Überschuss von 12,1 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Im Moment könnte man ein Investitionsprogramm von bundesweit 25 Milliarden Euro ohne große Neuverschuldung auflegen. Wenn Baden-Württemberg davon ein Zehntel bekäme, würde das im Land spürbar sein. Aber mittelfristig brauchen wir eine andere Steuerpolitik. Wir wollen bei der Vermögensteuer ansetzen. Wir sagen: die erste Million ist nicht betroffen, ab der zweiten Million geht es um 50 000 Euro. Das brächte insgesamt 80 Milliarden, dem Haushalt des Landes sieben bis zehn Milliarden Euro. Damit könnte man wirklich was anfangen. Auch bei der Erbschaftsteuer besteht Handlungsbedarf. Es ist unsinnig, wenn Millionenerben weniger zahlen als mittlere Erben. Wir haben das durchgerechnet. Unsere Forderungen sind gedeckt. Den Linken wird ja immer vorgehalten, wir hätten tolle Vorschläge, was man alles machen müsste – kostenfreie Kitas, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, mehr Personal anstellen und auch besser bezahlen. Wir haben dafür ein Finanzkonzept, da gehören natürlich noch mehr Elemente dazu.
Wenn das so funktioniert, warum muss dann Ihren zufolge die Schuldenbremse weg?
Die Schuldenbremse ist Unsinn. Schulden des Staates sind schlecht, wenn sie für die normale Verwaltung gebraucht werden. Sie sind aber sinnvoll, wenn sie Investitionen in die Zukunft dienen. Die anderen Parteien sind Gefangene ihrer Politik. Derzeit könnte man Kredite fast zum Nulltarif aufnehmen. Man darf es aber nicht. Deshalb propagieren die anderen, dass sich private Investoren engagieren sollen, etwa im Autobahnbau. Aber die wollen natürlich eine Rendite von fünf, sechs Prozent haben. Vergleichen Sie das mal mit dem, was man an den Kapitalmärkten bezahlen muss. Es ist wirtschaftlicher Unsinn.
Die Zinsen sind nicht immer so niedrig.
Deswegen muss man mittelfristig eine andere Steuerpolitik machen. Da führt kein Weg dran vorbei.
Halten wir mal fest: Die Wirtschaft brummt, die Steuereinnahmen sind hoch wie noch nie, aber Sie fordern noch Steuererhöhungen über 80 Milliarden Euro, um Ihre Programme zu finanzieren?
Die zunehmende Vermögensungleichheit in Deutschland ist ein ernstes Problem. Eine kleine Minderheit von Menschen wird immer reicher, während die mittleren und unteren Einkommensschichten immer häufiger von Armut bedroht sind. Ohne eine Politik, die sozialen Ausgleich fördert, wird sich diese Schere immer weiter öffnen. Jeder vierte Arbeitsplatz – auch in Baden-Württemberg – ist in irgendeiner Form unsicher. Sei es in der Leiharbeit oder in unfreiwilliger Teilzeitarbeit. Diese Spaltung zerstört den sozialen Zusammenhalt. Das ist ein Nährboden für rechte Ideologien. Da finden vermeintlich einfache Erklärungen – die Flüchtlingsfamilie nimmt mir meine Wohnung weg, der türkische Leiharbeiter klaut mir meinen Job – dann leider schneller Gehör als Lösungen, bei denen erst die Zusammenhänge deutlich gemacht werden müssen.