Im Schatten der fremdenfeindlichen Pegida ist in Sachsen 2015 auch die linksextreme Szene erstarkt. Leipzigs Oberbürgermeister spricht von offenem Straßenterror.

Leipzig - Es war eine Schlacht mit Ansage, als sich der Leipziger Süden am dritten Adventwochenende gleich mehrfach zu martialischen Protesten rüstete. So kündigte eine rechtsextreme Kameradschaft „Brigade Halle/Saale“ an, den Stadtteil Connewitz „in Schutt und Asche zu legen“. Doch auch die handfesten Aktivisten einer linksalternativen Szene, die hier ab 1990 aus einem anfänglichen Hausbesetzermilieu hervorging, zogen auf ihren „Antifa-Plakaten“ blank: Vermummt drohten sie darauf mit Macheten, Teleskopschlagstöcken und Baseballschlägern den anrückenden Rechtsextremen.

 

Die Polizei zog daraus die richtigen Konsequenzen und verlegte den fraglos provokativen Marsch rechter Gruppen – darunter die neue „Offensive für Deutschland“, die sich aus Legida-Szene speist – in die benachbarte Südvorstadt. Beide Seiten gerieten denn nicht einmal auf Steinwurfnähe aneinander. Und doch erlebte die Sachsenmetropole eine schlimme Gewaltorgie. Allein 69 Polizisten wurden verletzt, 50 ihrer Dienstfahrzeuge beschädigt. Zudem gingen Dutzende Haltestellenhäuschen, Schaufenster, Glassammelbehälter und anderes Stadtmobiliar zu Bruch, als plötzlich Pflastersteine flogen und Müllcontainer brannten. Im Rathaus beziffert man den Schaden auf über 200 000 Euro.

Angriffe auf Polizeiposten und das Gericht

Dabei waren die einzigen, die heil davonkamen, jene 150 Neonazis selbst. Als in Connewitz die Luft zu brennen begann, waren sie bereits wieder abgezogen. Stattdessen hinterließen nunmehr erneut extreme Linke ihre Handschrift. Aus anfangs friedlichen Protesten von etwa 2500 linken Gegendemonstranten heraus entzündeten sie schließlich eine Straßenschlacht, bei der selbst die Feuerwehr attackiert wurde, als sie brennende Müllbehälter löschte. Offenbar auch aus Ärger darüber, dass ihre eigentlichen Feinde entwischen konnten, lieferten sich einige Hundert Linksautonome rüde Scharmützel mit der Polizei.

Doch so ganz zufällig passierte das nicht. Schon seit Monaten dreht sich in Leipzig „eine linksextremistischen Gewaltspirale“, wie es ein CDU-Stadtrat nennt. So griffen schon früher bereits 600 Linksextremisten das Amtsgericht an, es gab einen Angriff auf den Polizeiposten in Connewitz sowie eine Attacke gegen das in der Stadt beheimatete Bundesverwaltungsgericht. Insgesamt registrierte die Leipziger Polizei 2015 knapp 40 linksautonome Anschläge, womit die Stadt zum „Randalemeister 2015“ aufstieg: Denn in einer Art Krawallranking namens „Komitee der 1. Liga für Autonome“, das das linke Szeneportal Indymedia führt, kam Leipzig diesmal noch vor Berlin und Hamburg ein.

Leipzigs OB sieht offenen Straßenterror

Dabei geht der sächsische Verfassungsschutz von lediglich 180 gewaltbereiten Linksautonomen in Connewitz aus. Doch könne die Szene eben auch „in erheblichem Umfang Personen aus dem Umfeld mobilisieren“, warnt man zugleich. Zudem sei das Milieu gut vernetzt, es verfüge über „ein hohes Maß an ideologischer Geschlossenheit“ und sei damit vor allem „anlassbezogen mit einer hohen Zahl mobilisierbar“.

Mithin erfolgen auch die linksextremen Krawallausbrüche nicht spontan, sondern basieren nach Erkenntnis des Verfassungsschutzes auf „Rechtsfertigungsmustern für das eigene Gewalthandeln“. So kursiert in dieser Szene „Ein Aufruf zur Gewalt – gegen jene, die diese gewalttätige Welt wollen“, der 50 konkrete Angriffsobjekte in Leipzig und in rund 20 weiteren deutschen Städten benennt. Hierzu gehören Arbeitsämter, Ausländerbehörden, Polizeidienststellen, Gerichte, Parteien. Zumeist folgen diesen Attacken dann auch ideologisch begründete Bekennerschreiben.

Doch auch im linken politischen Lager ist die Bewertung dieser Vorgehensweise spürbar uneinheitlich. Während autonome Hardliner höhnen, „Antifaschismus bleibt Handarbeit“, warnt eine Mehrheit davor, dass linkes Gedankengut damit nur unnötig Schaden nehme. So kommt auch aus der Linkspartei harsche Kritik an den Vorfällen. Selbst die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, die in Connewitz ein Direktmandat holte, nennt „solche Eskalation mehr als deplatziert“, zumal sie sich nahe einer Asylbewerberunterkunft abgespielt habe.

Für Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) handelt es sich bei den Tätern denn auch klar um „offenen Straßenterror von Kriminellen“, der damit den „so wichtigen friedlichen Protest gegen Neonazis diskreditiert“. Und sein Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) verwahrt sich gegen Vorwürfe des Verfassungsschutzes, ein von der Stadt gefördertes soziokulturelles Zentrum in Connewitz sei längst ein Sammelbecken für Linksextreme. So will er nun eine Studie zu den Ursachen der Gewaltausbrüche in Leipzig anschieben – auch vor dem Hintergrund, dass laut Verfassungsschutz „die Attraktivität der gewaltbereiten linksextremistischen Szene Leipzigs für Auswärtige nicht nachlassen wird“.