Linux-Café in Esslingen Alte Rechner müssen nicht in den Müll

Nicht alles, was scheinbar nutzlos ist, muss im Elektroschrott landen. Foto: imago images/Olaf Schuelke

Am Samstag öffnet in Esslingen erstmals ein Linux-Café. Das Motto dabei lautet: „Raus aus der Verschwendungsschleife – Computer sicher länger nutzen“.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Gut und gerne eine Million Tonnen Elektroschrott landen in Deutschland Jahr für Jahr im Müll. Eine genaue Aufschlüsselung, wie viele PCs, Laptops oder Notebooks darunter sind, gibt es zwar nicht. Doch es sind – sicher nicht nur aus Sicht einer Gruppe des Esslinger Reparatur-Cafés – viel zu viele. Das Problem ist dabei oft nicht einmal, dass die Geräte nicht mehr taugen. Allerdings können Computernutzer ein Lied davon singen, dass das installierte Betriebssystem, wie etwa zu Beginn dieses Jahres die Version 8.1 von Microsoft Windows, von den Herstellern irgendwann nicht mehr mit Sicherheitsupdates versorgt wird.

 

Die neue Version ist jedoch meist deutlich ressourcenhungriger und lässt sich daher auf dem bereits vorhandenen Rechner oft nicht komfortabel nutzen – oder verweigert gleich von vornherein die Installation. Also wird der nun plötzlich „alte“ Computer ausgemustert. Ein Neugerät – wiederum mit einem kommerziellen Betriebssystem von Microsoft, Apple & Co. – wird angeschafft, und dasselbe Spiel beginnt von vorne. Unter dem Motto „Raus aus der Verschwendungsschleife – Computer sicher länger nutzen“ wollen die Experten vom Esslinger Reparatur-Café diesen Kreislauf jetzt durchbrechen.

Martin Petzold: Wir alle nutzen Linux täglich, oft ohne es zu wissen

Denn es gibt aus ihrer Sicht eine brauchbare und einfache Möglichkeit, den bereits vorhandenen Rechner mit einem kostenlosen, freien und sicheren Betriebssystem weiter zu verwenden, das selbst auf zehn Jahre alten Geräten ein bequemes und produktives Arbeiten ermöglicht: Linux. „Wir alle nutzen Linux tagtäglich und vielfach, oft jedoch ohne es zu wissen“, sagt Martin Petzold, der mit seinen Reparatur-Café-Kolleginnen und -Kollegen deshalb ein Linux-Café ins Leben gerufen hat. Dieses öffnet am Samstag, 3. Juni, von 11 bis 17 Uhr im Forum Esslingen – Zentrum für Bürgerengagement in der Schelztorstraße 38 erstmals seine Pforten.

Petzold nennt einige Beispiele, in denen das Betriebssystem Linux arbeitet: „Ob im WLAN-Router, im Smart-TV, im Internetserver oder in der Motorsteuerung von Autos: überall, wo es auf Effizienz und verlässliches Funktionieren ankommt, ist sehr oft Linux im Einsatz.“ Nicht zuletzt basiere Android, das Betriebssystem von rund zwei Dritteln aller Smartphones weltweit, ebenfalls auf Linux, ergänzt er. Und wie steht es just um die geforderte Sicherheit? „Da hat Linux schon immer ein ausgesprochen rigides System“, ergänzt Andreas Zeiler, der beruflich als Software-Entwickler für eingebettete Systeme tätig ist und obendrein Mitglied im Makerspace Esslingen. Und da die meisten Viren- und Schadsoftware-Programme auf Microsoft ausgelegt seien, stehe man mit Linux zudem wesentlich weniger im Fadenkreuz der Virenprogrammierer.

Privatpersonen müssen nur für den Support bezahlen

Kostenlos ist Linux für Privatpersonen außerdem. „Nur wer einen direkten Support, also Unterstützung, braucht, bezahlt dafür. Und wer einen Business-Enterprise-Zugang möchte, den es bei einigen Anwendungen gibt“, weiß der Fachmann zu berichten. Der Gedanke dahinter sei, wie das auch die Free Software Foundation propagiere, dass IT-Anwendungen allen Menschen und nach Möglichkeit kostenlos zur Verfügung stehen sollten. „Und zur Verbesserung des gesamten Systems wird dann im Gegenzug die Weisheit der vielen genutzt“, ergänzt Petzold.

In Esslingen hat sich rund ein Dutzend Leute gefunden, die die Philosophie der Free Software Foundation unterstützen –und damit die Idee eines Linux-Cafés. Elke Kalka, Mitorganisatorin und im Brotberuf Projektmanagerin im IT-Bereich, schildert das geplante Prozedere: „Kommen die Leute mit Rechnern zu uns, auf denen nichts mehr drauf ist, installieren wir schlicht und einfach das neue Betriebssystem.“ Seien noch Daten auf dem Gerät, werde die Festplatte ausgebaut, sodass diese als externes Medium verwendet werden könne.

Elke Kalka: Nach einer kurzen Einführung sind unsere Gäste startklar

In den Computer eingebaut wird stattdessen eine moderne SSD-Platte, die obendrein auch noch schneller ist als die gängigen HDD-Speicher. Bedenken wegen des Umstiegs vom bisher bekannten Betriebssystem auf Linux kann Kalka zerstreuen: „Die Optik und das Bedienkonzept sind sehr ähnlich wie bei anderen Betriebssystemen. Nach einer kurzen Einführung sind unsere Gäste startklar.“

An zwei Limits, daran lässt die Frau vom Fach keinen Zweifel, könne aber selbst Linux nichts ändern: „Wenn die Prozessorgeschwindigkeit zu niedrig ist oder der Arbeitsspeicher zu klein, dann ist wirklich nichts mehr zu machen.“ Überprüft, gecheckt und erklärt wird all das aber direkt vor Ort im Zentrum für Bürgerengagement. „Bei Geräten, die älter als 15 Jahre sind, kann es aber schon sein, dass sie eher ein Fall fürs Museum sind“, nennt Martin Petzold schmunzelnd eine weitere Begrenzung.

Open Source – Weiterentwicklungen kommen allen Nutzern zugute

Betriebssysteme
Der Platzhirsch unter den auf deutschen Rechnern laufenden Betriebssystemen ist mit weitem Abstand die US-Firma Microsoft (knapp 75 Prozent), gefolgt von Apple (gut 18 Prozent). Linux kommt zurzeit auf einen Marktanteil von etwa drei Prozent.

Linux
Weil Linux mit einem offenen Quellcode arbeitet, wird es als Open-Source-Betriebssystem bezeichnet. Die Lizenz ist also frei nutzbar. Im Gegenzug muss jede Abwandlung öffentlich gemacht werden, damit jede Weiterentwicklung allen Nutzern zugute kommt.

Café
Das erste Esslinger Linux-Café findet am Samstag, 3. Juni, von 11 bis 17 Uhr im Bürgerforum Esslingen – Zentrum für Bürgerengagement (Schelztorstraße 38 ) statt. Die ehrenamtlich tätigen Experten sind im Raum G2 anzutreffen. Weitere Informationen gibt es unter www.reparaturcafe-esslingen.de/linuxcafe.

Workshop
„Linux statt Windows“ heißt ein Workshop, der am Samstag, 24. Juni, von 14 bis 17 Uhr an gleicher Stelle stattfindet und vom Makerspace Esslingen veranstaltet wird. Dabei gibt es Antworten auf Fragen von und Informationen für Linux-Neulinge sowie alle anderen, die sich für die freie Alternative zu kommerziellen Betriebssystemen interessieren. Hierfür ist eine Anmeldung (E-Mail: anmeldung@makerspace-esslingen.de) erforderlich.

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