Derzeit gibt es im deutschsprachigen Kabarett wohl kaum Künstlerinnen oder Künstler, die derart polarisieren und die Gemüter erregen wie Lisa Eckhart. Und die Österreicherin mit Wohnsitz in Leipzig stellte am auch Samstagabend von der ersten Minute an unter Beweis, warum dem so ist.
In ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“ erteilt die Kabarettistin jedweder Form der Political Correctness eine Abfuhr. Mit einer geschliffenen Rhetorik, die ihresgleichen sucht und verrät, dass Lisa Eckhart auch zu den besten Poetry-Slammerinnen gehört, nimmt sie alles in den Mund, womit man heutzutage anecken kann.
Eckhart visiert die Weltherrschaft an
Lisa Eckhart inszeniert sich – und tat dies auch in Leonberg – als die prototypische Inkarnation einer privilegierten Weißen, für die Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, sexuelle Perversion und viele andere gesellschaftliche No-Gos gelebte Normalität sind. Optisch unterstreicht sie dies auf der Bühne, indem sie in weißer Reizwäsche mit Strapsen auftritt.
Sie steht über allem und allen: „...das ist wohl der Applaus aus der rechten Ecke, vor dem ich immer gewarnt werde“, sagt sie an einer Stelle, „aber wenn man die Weltherrschaft anstrebt, gibt es keine Ecken. Ich nehme alles.“ Und man kann dem Programm auch nicht vorwerfen, dass Lisa Eckhart hier jemanden ausspare: Die Göttin der Political Incorrectness hat keine Lieblinge, teilt gegen Männer ebenso aus wie gegen Frauen, gegen ihre Wahlheimat Deutschland, ihr Heimatland Österreich, gegen die Kirche, Sport, Minderheiten, Rechte, Privilegierte und das Volk als solches.
Auch Corona-Witze werden gnadenlos zum Besten gegeben
Und während viele Comedians das Thema Corona aktuell auf der Bühne oft ausklammern – mit der Begründung, dass das eh keiner mehr hören will, reitet Lisa Eckhart das Pandemie-Pferd weiter und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Konsequenzen mit gnadenloser Hingabe.
Sie stellt Fragen wie: „Wenn der Mann die Frau im Homeoffice schlägt, gilt das dann als ‚Häusliche Gewalt‘ oder ‚Belästigung am Arbeitsplatz‘?“ und „Wohin mit den Kindern, wenn nicht mal der pädophile Nachbar sie mehr nehmen will, weil er zur Corona-Risikogruppe gehört?“
Das Publikum in Leonberg war altersmäßig sehr gut durchmischt und auch Frauen und Männer waren an jenem Abend in gleichem Maße vertreten. Überraschend war, dass erstaunliche viele lieber nicht sagen wollten, was sie an Lisa Eckhart gut finden oder recht vage blieben. Zumindest ein junges Pärchen gab zu Protokoll: „Wir mögen ihre Sprache, den messerscharfen Verstand und ihre böse Satire.“
Vieler Lacher beruhen auf gesellschaftlichen Vorurteilen
Lisa Eckhart bringt das Publikum zum Lachen. Oft und ausgiebig. Die Gags sind lustig und pointiert, aber sie beruhen oft auf Stereotypen und Vorurteilen. Überspitzt natürlich, aber zumindest sollte jedes Lachen auch Unwohlsein verursachen. Man sollte sich die Frage stellen, wie weit uns der Alltagsrassismus durchdrungen hat, wie tief unsere Vorurteile sich eingegraben haben, dass wir trotzdem lachen.
Wenn diese Gedanken bei allen in der Stadthalle aufgekommen sind, macht Lisa Eckhart Satire in Perfektion. Satire, in der sie all unsere Unzulänglichkeiten und abgründigsten Gedanken auf der Bühne lebendig werden und uns in dem Augenblick zweifeln lässt, in dem sie uns zum Lachen bringt.
Eine ambivalente Kunstfigur – bissig und schwer einzuordnen
Das Problem in der öffentlichen Diskussion um Lisa Eckhart ist, dass man – abgesehen von kleinen Aussagen, die man in der Kaskade der brillant gedrechselten Sätze leicht überhört – immer nur die Kunstfigur Lisa Eckhart bekommt. Eckhart ist ein Chamäleon, eine Projektion, an der alles abprallt. Als ambivalente Kunstfigur hält die 29-Jährige aus der Steiermark dem Publikum einen Spiegel vor, in dem sich trotzdem nicht jeder wiedererkennt. Ihre Satire ist bissig bis bösartig und auch deswegen teilweise so schwer einzuordnen, weil über die Privatperson hinter der Inszenierung wenig bekannt ist.
Das gibt Eckhart größtmögliche Freiheit auf der Bühne, sich bewusst als unangenehme Person darzustellen, die ausspricht, was unsagbar ist, dabei aber auch Selbstreflexion vom Publikum einfordert und es gleichzeitig vorführt. Ihr genüsslicher Kommentar: „...glauben Sie mir, an so einem Abend lerne ich mehr über Sie, als Sie über mich“, sagt eigentlich alles.
Was Eckhart privat denkt? – Unerheblich!
Es ist auch gar nicht notwendig, zu wissen, was die Eckhart persönlich denkt, solange sie ihre Satire über allen ausgießt. Nimmt man allerdings nur einzelne Elemente ihres Programms, wie man sie oft im Fernsehen serviert bekommt, kann man diese durchaus tendenziös betrachten und instrumentalisieren wollen. Nur das Gesamtkunstwerk offenbart, dass in den Augen der Political-Incorrectness-Göttin niemand Bestand hat, nicht einmal sie selbst.
Nach der rund zweistündigen Aufführung in Leonberg gibt die Künstlerin noch eine Audienz am Signiertisch, wo viele Fans auf sie warteten. Allerdings stellte sie für das niedere Volk einige Verhaltensregeln auf. Ganz Lisa-like hieß es dann: „Fassen Sie gerne meine Brüste an, aber bitte duzen Sie mich nicht.“