Erst eine gescheiterte Fusion, dann ein holpriger Führungswechsel: In den Wirtschaftsverbänden läuft es nicht rund.

Berlin - In Zeiten der großen Koalition haben es die Spitzenverbände der Wirtschaft schwer. Union und SPD machen ihre Vorhaben meistens unter sich aus und im Bundestag fehlt die FDP als Opposition, die für Interessen der Wirtschaft stets aufgeschlossen war. Hinzu kommt, dass Kanzlerin Angela Merkel für die Anliegen der Verbandschefs selten Zeit hat. Der Einfluss der Spitzenverbände der Wirtschaft ist zurückgegangen, lautet die einhellige Meinung. Ablesen lässt sich das auch an den wichtigen Vorhaben wie der Erbschaftsteuerreform und dem Freihandelsabkommen TTIP, die aus der Sicht der Unternehmen unglücklich verlaufen. Die Spitzenverbände prüfen immer wieder, ob sie richtig aufgestellt sind. Zuletzt haben der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Frage aufgeworfen – und zunächst wieder verworfen. Im August wurde bekannt, dass ein erneuter Fusionsanlauf im Herbst vergangenen Jahres gescheitert ist. Immerhin ein Jahr lang war zuvor über ein Zusammengehen verhandelt worden. Es habe sogar schon einen Termin gegeben, an dem die Fusion verkündet werden sollte, heißt es in Berlin. Doch BDI-Präsident Ulrich Grillo und dessen Hauptgeschäftsführer Markus Kerber ließen die Verschmelzung zum „Bundesverband Deutsche Wirtschaft“ in letzter Minute platzen. Die Arbeitgeber waren entsetzt.

 

Folgen der gescheiterten Fusion

Offiziell erklären die Spitzenorganisationen die Angelegenheit zwar für erledigt. Nach Lesart des Industrieverbands hätte eine Fusion wenig Vorteile gebracht. Während sich die BDA auf Arbeitsmarkt, Sozial- und Tarifpolitik konzentriert, will der BDI eine breite Themenpalette im Sinne der Wirtschaft gestalten: dazu gehören die Steuer-, Energie- und Umweltpolitik sowie die globale Handelspolitik. Der BDI bezweifelt, dass es zu Vorteilen führt, wenn ein einziger Verband alle Felder abdeckt. Die BDA argumentiert dagegen, die deutsche Verbändelandschaft sei so zerklüftet wie in keinem anderen EU-Staat. Vom früheren BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner stammt die Aussage, dass kaum vermittelbar ist, wenn einmal der BDI- und gleich danach der BDA-Chef nach Brüssel reisen. Tatsächlich ist das Gebilde noch vielschichtiger, da zu den Spitzenverbänden auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zählen. Das wirkt nicht nur im Ausland unübersichtlich.

Unglücklicher Führungswechsel beim BDI

Auch wenn die Fusion geplatzt ist, wirken die Pläne heute noch nach. Ein Beteiligter sagt, das Thema komme in den nächsten Jahren wieder auf die Tagesordnung. Festzustellen ist, dass das missglückte Vorhaben die Mitarbeiter verunsichert. Besondere Belastungen ergeben sich für den BDI: Beim einstmals so mächtigen Industrieverband verabschiedet sich die oberste Führungsebene gemeinsam. BDI-Präsident Grillo scheidet zum Jahresende aus, weil er sich stärker um das eigene Unternehmen kümmern muss. In der Wirtschaft löste die Nachfolge Schulterzucken aus. Auf Grillo folgt der 63-jährige frühere Chef des Nürnberger Softwareunternehmens Datev, Dieter Kempf. Einer breiten Öffentlichkeit ist er unbekannt. Auch in seiner Amtszeit als Präsident des Branchenverband der Informationswirtschaft Bitkom fiel er kaum auf. Wenige Monate nach Grillos Ausstieg wirft auch Hauptgeschäftsführer Kerber das Handtuch. Das ist ungewöhnlich, da die Hauptgeschäftsführer normalerweise die Präsidenten einarbeiten. Doch Kerber, der es als Investmentbanker zu Vermögen gebracht hat, denkt schon seit zwei Jahren an Abschied. Kerber wird nachgesagt, dass er den aufreibenden Verhandlungen mit den Mitgliedsverbänden über die Positionen des BDI zu wichtigen Fragen nicht nachtrauern wird. Die schwierige Abstimmung ist ein Grund, warum der BDI mitunter lange Zeit benötigt, um auf Entwicklungen zu reagieren. So erkannte der BDI erst spät, wie stark der Widerstand gegen TTIP ist. Auch in der Erbschaftsteuerdebatte zählte der BDI nicht zu den tonangebenden Verbänden. Auf Kerber soll nun ein Lobbyist nachfolgen, dessen Namen in Berlin nur Eingeweihte kennen: Joachim Lang leitet bisher noch die Konzernrepräsentanz des Energieversorgers Eon und war früher Abteilungsleiter im Kanzleramt und Mitarbeiter der Unionsfraktion.

Nicht für jeden ein Ehrenamt

Bekannter ist da schon der BDA-Hauptgeschäftsführer. Seit Juli leitet Steffen Kampeter, ehemals CDU-Bundestagsabgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, den Arbeitgeberverband. Kampeter wurde in einer Zeit berufen, als die Fusion noch geplant war. Der nordrhein-westfälische Expolitiker ist Fachmann für Finanzen und Währungsfragen und passt damit gut zur Rollenbeschreibung des BDI. Alles deutet darauf hin, dass Kampeter beim Gelingen der Fusion gemeinsamer Hauptgeschäftsführer geworden wäre. Es kam anders. In die Sozial- und Tarifpolitik, den Kernfeldern der BDA, muss sich der BDA-Hauptgeschäftsführer noch einarbeiten. Für die BDA hängt von Kampeter viel ab, da BDA-Präsident Ingo Kramer nur selten in Berlin auftritt. Auch die immer deutlicher werdende Personalnot der Verbände ist ein Argument für Fusionen. BDA-Präsident Kramer muss sich in erster Linie um seinen eigenen Anlagenbaubetrieb in Bremerhaven kümmern. Das Präsidentenamt übt er wie seine Präsidentenkollegen beim Handwerk und beim DIHK ehrenamtlich aus. Die Herren halten, abgesehen etwa von Reisekosten, kein Geld. Das ist beim BDI anders, wie der „Spiegel“ jüngst berichtete. Grillo bekommt als einziger Präsident der Spitzenverbände eine jährliche Aufwandsentschädigung von 180 000 Euro.

Dies begründet der BDI mit den zahlreichen Auslandsreisen, die dazu führen, dass ein BDI-Präsident außergewöhnlich viel Zeit für den Verband aufwenden müsse. Damit könne er keine vergüteten Aufsichtsratsmandate mehr annehmen, so der BDI. Das Argument der zeitlichen Beanspruchung dürfte allerdings auch für die anderen Präsidenten gelten, die auf ein Salär verzichten.