Schüler, Lehrer und Eltern der Neckarweihinger Friedrich-von-Keller-Schule wollen diese erhalten. Die Chancen für die Hauptschule stehen schlecht.

Ludwigsburg - Der vorherrschende Farbton ist Grau: Betongrau die Wände, grau meliert der Linoleumboden, hellgrau die Decke, selbst die Fensterrahmen der Neckarweihinger Friedrich-von-Keller-Schule schimmern metallisch grau. Zwei Achtklässlerinnen versuchen in diesem Ambiente, das in den 60er Jahren als modern galt, Ludwigsburger Gemeinderäte davon zu überzeugen, dass dort ein umso bunteres Schulleben stattfindet. Ein gefährdetes Schulleben allerdings, das unbedingt erhalten werden müsse.

 

Teiche, Reben und Bienenstöcke

Aber nicht die Schüler haben zu dieser Rettungsveranstaltung eingeladen, sondern der Elternbeirat, der Förderverein der Schule und der Neckarweihinger Bürgerverein. Sie alle haben Sorge, dass es in dem Ludwigsburger Ortsteil bald keine Hauptschule mehr geben könnte, und die Hoffnung, dass die Schließung doch noch abzuwenden ist. Auch wenn Stadträte hinter vorgehaltener Hand schon sagen, die Sache sei gegessen. Auch wenn die Stadtverwaltung signalisiert, dass sie diese Haupt- und Werkrealschule nicht erhalten möchte. Und obwohl die zurückgehenden Schülerzahlen und die Schulpolitik des Landes die Zukunft der Schule infrage stellen.

Die Achtklässlerinnen Sophie Jäschke und Dilara Bilici schildern in schillernden Farben, wie die Schüler und Lehrer in Neckarweihingen arbeiten. Sie zeigen den Stadträten – von den 40 Mitgliedern des Gremiums sind etwa ein Dutzend gekommen – den großen, idyllischen Schulgarten mit zwei Teichbiotopen, Rebenreihen und Bienenstöcken, die alle von Schülern gepflegt werden. Sie weisen darauf hin, dass Schüler überall im Gebäude und auf dem Schulhof bleibende Spuren hinterlassen haben, aber nicht mit Schmierereien oder Zerstörungen, sondern in Form von schön gestalteten Aufenthaltsräumen, Rückzugsecken oder Sitzelementen. Und sie beschreiben das Schulleben als ein familiäres Miteinander, bei dem die Jugendlichen Höflichkeit und Rücksichtnahme lernen.

Emotionen statt Argumente

Nicht mit Argumenten, sondern emotional versuchen die Veranstalter, die Stadträte zu packen. Eine so gewachsene Lernwelt dürft ihr nicht zerstören, signalisieren sie ihnen. Und der Fördervereinsvorsitzende Gerhard Seeger ergänzt, es gebe wohl keine Schule in der Stadt mit so viel Grün drum herum, mit Wald und Feld und Streuobstwiesen in der Nähe. Er legt nahe, dass es deshalb von Vorteil wäre, wenn Schüler aus der engen Kernstadt in die heile Neckarweihinger Welt kämen.

All dies verfehlt seine Wirkung auf die Stadträte offensichtlich nicht. Unisono loben sie die gute Arbeit der Schule, aber darum gehe es bei der Entscheidung leider nicht. Es blute einem das Herz bei der Vorstellung, dass die Hauptschule geschlossen werde, sagt die CDU-Stadträtin Elke Kreiser, dennoch könne sie nicht sagen, die Schule müsse bleiben. Denn es gebe Zwänge, denen sich die Stadt nicht entziehen könne, so Kreiser.

„Es ist wohl vorbei mit der Hauptschule“

Auch Dieter Juranek (SPD), der in Neckarweihingen wohnt, ist skeptisch: Es sei wohl vorbei mit der Hauptschule. Es gebe eine breite Mehrheit im Gemeinderat dafür, die Hauptschulen in der Innenstadt zu konzentrieren. Einen Abbruch des Schulgebäudes hielte er aber für eine Katastrophe: ein so großzügiges Raumkonzept könne man heute nicht mehr bauen, sagt der Architekt. Zum Abbruch käme es, wenn sich die Idee durchsetzen würde, an Stelle der Schule einen Supermarkt, kombiniert mit einer Grundschule zu errichten. Sein Minimalziel sei aber, sagt Juranek, das Gebäude zu erhalten und die Grundschule dort unterzubringen. Die Sanierung käme teuer, aber sie sei machbar und lohne sich.

Auch Johann Heer (FDP) glaubt, dass es auf diese Lösung zulaufen könnte – es sei denn, die Neckarweihinger sprächen sich bei einem Bürgerentscheid für die Supermarktlösung aus, dann würden sie den Abbruch selbst besiegeln. Die Hauptschule habe schlechte Karten, weil sie einzügig keine Zukunft habe. Wenn das Haus für die Grundschule allein zu groß sei, könne man ja noch ein Familienzentrum darin unterbringen oder die Betreuung von Kindern im Alter unter drei Jahren.

Gemeinderäte erwarten ein hartes Ringen

Wie seine Kollegen erwartet Roland Glasbrenner (Freie Wähler), dass es noch ein hartes Ringen um die Zukunft der Friedrich-von-Keller-Schule gibt. Das Gebäude sei ein Kleinod, man dürfe es nicht zerstören, postuliert er. Und er rät abzuwarten: Vielleicht kämen ja bald viele Realschüler oder Gymnasiasten an die Hauptschulen zurück, so dass dort die Zahlen steigen. Dafür brauche man eine Reserve.

Räte wollen Bürgermeinung zum Supermarkt wissen

Ludwigsburg - Das hat es in Ludwigsburg noch nie gegeben: erstmals werden in der Form eines „Stimmungsbildes“ zu einer wichtigen Entscheidung der Stadt die Bürger eines einzelnen Stadtteils befragt. Wie der Sozialausschuss gestern mit großer Mehrheit beschloss, können die Neckarweihinger im Oktober ein Votum abgeben, ob sie den geplanten Supermarkt lieber im Neubaugebiet Neckarterrassen oder mitten im Ort integriert in einen möglichen Neubau der Friedrich-von-Keller-Schule platziert haben wollen. Letzteres hatte der Oberbürgermeister Werner Spec Anfang 2011 überraschend ins Spiel gebracht und einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

In Neckarweihingen hätten Stadtrat und Verwaltung zuletzt „keine Pluspunkte gesammelt und viel Vertrauen verloren“, erinnerte Eckart Bohn (SPD). Deshalb müsse man nun wenigstens bei dieser Befragung „Druck und Dampf machen“. Auch den Freien Wählern war der vorgelegte Zeitplan der Verwaltung nicht straff genug. Sie forderten deshalb, dass alles noch im September entschieden werden soll. „Sonst sind wir ganz schnell im Jahr 2013“, befürchtete Roland Glasbrenner.

Abstimmung am 18. Juli

Letztlich waren die meisten Räte dafür, für die Vorbereitung des Bürgervotums kein eigenes Gremium zu bilden. Stattdessen soll die Verwaltung nun die Fragestellung formulieren, über die der Gemeinderat am 18. Juli abstimmen wird. Anschließend sollen Informationstexte und Flyer erarbeitet werden. In der ersten Oktoberwoche will man dann die Meinung aus dem Stadtteil einholen.

Auch die CDU-Rätin Rosina Kopf war der Ansicht, dass man „das vom Zeitplan Machbare tun“ solle: „Wir können uns in Neckarweihingen keine weitere Warteschleife leisten.“ Für den Grünen Christian Kopp war das Tempo allerdings nicht entscheidend. Wichtiger sei, dass diese „ganz neue Form der Bürgerbeteiligung“ durchdacht ablaufe: Schließlich sei das Thema natürlich „verknüpft mit der Schulfrage“.

Verwaltung will Hauptschule wohl schließen

Die Stadtverwaltung lässt seit Monaten durchblicken, dass es den weiterführenden Teil der Grund- und Hauptschule wegen der geringen Schülerzahlen wohl bald nicht mehr geben wird. Die endgültige Entscheidung des Gemeinderats zur Zukunft der dortigen Hauptschule steht jedoch noch aus. Sie könnte ebenfalls am 18. Juli fallen.

Entscheidender als der Zeitplan sei, dass der Gemeinderat das Votum ernst nehme, fand OB Spec: „Sie haben es in der Hand, dass daraus kein Schaulaufen wird.“ Damit waren jedoch nicht alle einverstanden. Je nach Beteiligung werde er das Ergebnis „nicht als Auftrag, sondern nur als Ratschlag“ verstehen, kündigte der Grüne Michael Vierling an.