Das große Ludwigsburger Musiktheater erzählt in diesem Jahr die christliche Leidensgeschichte – mit viel Zeitbezug. Insgesamt sind 300 Akteure an dem Spektakel im Forum am Schlosspark beteiligt.

Ludwigsburg - Beobachtet man Siegfried Bauer am Dirigentenpult, ist nie ganz klar, ob er ekstatische Hüpfer macht, weil ihn die große Musik Johann Sebastian Bachs davonzieht, oder ob er leidet, weil der Sopran mal wieder das R nicht richtig gerollt hat. Der städtische Musikdirektor lässt seinen 200 Sängern nichts durchgehen. Denn für das große Kulturprojekt Passion 2013 wurde die heiße Phase eingeläutet. Die Premiere ist am 8. März im Ludwigsburger Forum am Schlosspark.

 

Bei Vorgängerprojekten wie Haydns „Schöpfung“ (2009) oder Carl Orffs „ Carmina Burana“, mit der 1996 alles begann, waren die Sänger, Tänzer und Instrumentalisten um Weihnachtern herum schon sicher. Diesmal sei das nicht so, sagt Bauer. Warum das so ist, liege auf der Hand: Vor allem der Gesangspart sei anspruchsvoller denn je. „Die Chorsänger müssen bis an ihre Grenzen gehen“, sagt der musikalische Leiter des Musik- und Tanztheaters, an dem insgesamt 300 Akteure beteiligt sind. Nur die Gesangssolisten sind Profis.

Jesus als jugendlicher Held

Diesmal kommen sehr viel weniger Sänger aus Ludwigsburg. „Wir haben Leute aus 50 verschiedenen Chören aus dem Großraum Stuttgart dabei“, sagt Bauer. Und was ihnen an Stimme und Stimmbildung fehle, machten sie durch ihre Begeisterung wett, versichert er. Immerhin wird schon seit September regelmäßig geprobt. Wer immer da war, hat bereits 37 Probenabende hinter sich“, sagt Bauer, der vom Nürtinger Kantor Michael Culo unterstützt wird.Wer beim Begriff Passion zuerst an Bachs Matthäuspassion denkt, liegt falsch. „Wir singen und spielen die Johannespassion“, sagt Bauer, „hier geht es nicht um den Schmerzensmann Jesus wie bei Matthäus, sondern um einen jugendlichen Helden, der diesen Weg gehen will und sich durch nichts davon abbringen lässt“. Es gehe immer auch um eine überzeitliche Idee des Märtyrertums, sagt auch der Regisseur Rainer Kittel: „Wir wollen nicht die Passionsgeschichte im Sinne der Kirche erzählen.“ Er habe vielmehr die Aktivisten des arabischen Frühlings im Sinn gehabt. Ebenso wie Prediger der Gewaltfreiheit wie Gandhi oder Martin Luther King. „Das Durchbrechen des Gesetzes der Rache ist nicht nur ein christlich-religiöses Element.“

Eine wichtige Inspiration für den Szenenaufbau seien mehr als einmal die Pressebilder vom Tahrirplatz in Kairo von 2011 gewesen. „Es geht um den Aufschrei. Unser Jesus trägt auch keine Dornenkrone, und er wird auch nicht gegeißelt“, sagt Kittel. Für seine Version der Geschichte treffe es sich gut, dass der Jesus schwarz ist – er wird gespielt von Yahi Nestor Gahe – und die meisten Apostel Frauen sind.

Bauer glaubt, dass es höchstens eine Handvoll Menschen in und um Ludwigsburg gibt, die diese Version der Passion kennen. Denn die Musik stammt zwar von Bach, wurde aber von Robert Schumann bearbeitet. Mit der Folge, dass hier immer großer Chor und großes Orchester gefragt sind und dass das volle Klangbild der romantischen Epoche vorherrscht. Die Schumannschen Noten waren lange vergessen und sind erst im Jahr 2001 wiederentdeckt worden, erzählt Bauer. Seither gab es nur zwei Aufführungen in Deutschland.

Tanztheater à la Pina Bausch

„Wir haben alle Rezitative gestrichen“ sagt Kittel. Um die Handlung auch ohne diese Erzählpassagen voranzubringen, wurden einige Arien aus der Matthäuspassion eingeschmuggelt. Auch die in einer Bearbeitung aus dem 19. Jahrhundert – von Felix Mendelssohn-Bartholdy. „Die Geschichte ist jedenfalls an allen Stellen zu verfolgen“, versichert Kittel. Die Tänzer kommen aus der Kunstschule Labyrinth und von der Tanz- und Theater-Werkstatt. Stilistisch orientiert sich Kittel am modernen Tanztheater von Pina Bausch.