Wer am Seeufer von Schloss Monrepos steht, hat sie im Blick: die idyllisch liegende Kapelle auf einer kleinen Insel. Das Umrunden mit einem Ruder- oder Tretboot ist erlaubt, das Betreten ist jedoch verboten – für alle, die keine Ausnahmegenehmigung haben.

Ludwigsburg - Weithin sichtbar ragt ein schlichtes Kreuz aus den üppigen Baumkronen in den blauen Himmel hinein. Es scheint, also wolle es an die Ewigkeit in der Endlichkeit des Lebens gemahnen, wie einst der frühromantische Maler Caspar David Friedrichs in seinen Werken. Aus einem dieser Gemälde scheint denn auch der Träger des Christensymbols zu kommen: In dem sich nach oben verjüngenden Kapellenturm auf der Insel im See vor dem Schloss Monrepos folgen auf gotisch anmutende Spitzbogenfenster ein rundes Maßwerk aus vier Herzen, romanische Rundbögen sowie zwei Etagen rhythmisierter Bogenreihen. Eklektizismus nannte man insbesondere im 19. Jahrhundert diese Vermischung historischer Stile, wie sie in allen Künsten, so auch in der Architektur, vorkamen.

 

Doch das Türmchen ist älter. Herzog Carl Eugen von Württemberg ließ die kleine Kapelle für sich und seine zweite Gemahlin, Franziska von Hohenheim, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichten, im „englischen Dörfle“ von Hohenheim. Auf die Insel im See im Ludwigsburger Stadtteil Eglosheim kam sie erst im Jahre 1810. Unter König Friedrich I. – 1806 war der Herzog von Kaiser Napoleon in diesen Rang erhoben worden – wurde sie dort wieder aufgebaut. Friedrich I. ließ damals das im Dornröschenschlaf liegende Seeschloss Morepos, das einst sein Onkel Carl Eugen initiierte und aufgab, wieder in Schuss bringen.

Flair eines verwunschenen Ortes

Heute ist die Kapelleninsel nicht mehr zu betreten; sie ist Vogelschutzreservat wie auch ihre Nachbarin, die Amorinsel. Gemächlich in Begleitung von Enten und Schwänen um die beiden Eilande herum rudern ist indes erlaubt – am Ufer liegen Ruder- und auch Tretboote zum Ausleihen bereit. Und während das Kapellchen im Winter gut auszumachen ist, lässt sich im Sommer das im Zweiten Weltkrieg zerbombte Kirchenschiff nur erahnen. Längst hat die Natur das Kommando übernommen, Bäume und Büsche haben die dicken Steine überwachsen und geben der Architektur den Flair eines verwunschenen Ortes, der einen aber auch etwas schaudern lässt.

In der Tat dümpelten im 19. Jahrhundert die hohen Herrschaften mit Gondeln auf die Insel, um sich zu gruseln, bevor sie sich nebenan in Amors Tempelchen verlustierten. Wurde doch damals in der düsteren Krypta unter dem Turm ein Femegericht des Mittelalters nachgestellt: Puppen in Rittergewandung um einen Tisch verurteilten einen Straftäter. Und damit die Strenge des Ortes schon von der Ferne auszumachen war, sollen spitzige Tannen das Kapellchen umrundet haben. Jetzt empfängt eine gemischte Bewaldung den Besucher, der mit Sondergenehmigung die Insel betritt und sich über unwegsame, schmale Wege an die Grundfesten des Bauwerks heranpirscht. Kein leichtes Unterfangen: die Dornen so manchen Brombeer- oder Hagebuttenstrauches hinterlassen ihre Spuren an Armen und Beinen der Erforschenden, die daher froh sind, in die Krypta abzutauchen.

Gelungene Inszenierung

Kalte, feuchte Luft schlägt ihnen entgegen, just als ob hinter den dicken Mauern die Tiefen des Hades oder zumindest die Geister der im Femegericht Verurteilten lauerten. Hinter dem spitzbögigen Gittertor soll das einst stattgefunden haben. Um in den Raum mit seinen leeren, düsteren Nischen zu gelangen, heißt es, über eine Gitteröffnung klettern. Ginge dieser Spalt zu, wäre man gefangen. Am anderen Ende ist zwar ein Durchlass, aber der Weg nach außen ist durch ein weiteres Gitter verschlossen. Auch das Schloss Monrepos gegenüber ist nur zu erahnen: Ein Felsen versperrt die Sicht, nur einige Strahlen Tageslicht kriechen in das Verließ. Welcher Regisseur sich auch immer den Wiederaufbau der Kapelle ausdachte – ihm ist seine Inszenierung bestens gelungen.

Und diese haben offensichtlich einige Besucher genossen, zumindest in den Nachkriegsjahren. So zeigen die Stuckreste in der Ruine des Kirchenschiffchens darüber allerlei Herzen und Namen mit Daten der 50er- und 60er-Jahre. Auch ein gewisser Ronald hat hier seine Liebe beschworen, mit grandiosem Ausblick auf das Schloss. Zu diesem wird nun, nach erneutem Kampf durch die Flora, wieder zurückgerudert, Eiland wie Kapelle der Natur überlassen. Die Graureiher, die im Schilf ihre Köpfe in die warme Sonne strecken, haben offensichtlich nichts dagegen.