Der Beilsteiner Otto Ensinger hat einst die berühmte Rede an die Jugend und jetzt den Staatsakt im Schloss miterlebt – und ist begeistert.

Ludwigsburg – Die Worte, die Charles de Gaulle 1962 im Schlosshof an die jungen Zuhörer richtete, haben Otto Ensingers Leben geprägt. Beim Staatsakt erinnerte sich der 73-Jährige an die besondere Stimmung von damals.
Merkel und Hollande haben die deutsch-französische Freundschaft beschworen. Wie fühlen Sie sich, Herr Ensinger?
Das war eine kolossale Sache. Zwischen den beiden Ereignissen liegt ja mein Leben. Als das Video mit Ausschnitten aus der Rede de Gaulles lief, kamen mir beim bloßen Hören der Stimme die Tränen. Ludwigsburg war für ihn der Abschluss einer triumphalen Reise durch Deutschland. Als 23-jähriger Student war für mich klar, dass ich ihn hier erleben will. Mit einem Freund habe ich anderthalb Stunden ausgeharrt. Die Tribüne stand etwa an der gleichen Stelle wie jetzt die Hauptbühne. Und dann kam er: Er war ja groß, wie ein Riese erschien er mir.

Aber er sprach nicht von oben herab.
Im Gegenteil. Kein Mensch hatte erwartet, dass er deutsch spricht. Das war schon mal sensationell. Er redete auswendig, aber an keiner Stelle hatte man das Gefühl, dass die Worte einstudiert waren. Seine Bereitschaft zur Aussöhnung überwältigte uns. Er beglückwünschte uns, als junge Deutsche und Kinder eines großen Volkes. Das muss man sich mal vorstellen. So hatte vorher keiner zu uns gesprochen.

Und danach?
Die freudige Erregung, die er uns mit auf den Weg gab, wirkte lange nach. Wir strömten in der Menschenmenge Richtung Bahnhof. Der Andrang war ja riesig gewesen. Aber alle waren ganz friedlich. Das Ereignis hat mein Leben geprägt.

Inwiefern?
Als Maschinenbaustudent war ich zehn Wochen lang auf Austausch in Frankreich. In den Jahren nach de Gaulles Auftritt war ich als Ingenieur für verschiedene deutsche Firmen immer wieder in Frankreich. Bis 1988 hatte ich westlich von Paris ein Haus. Ich wäre gern geblieben, aber aus familiären Gründen mussten wir zurück.

Sie sind aber noch im Comité der Städtepartnerschaft von Beilstein aktiv. Was fasziniert Sie an Frankreich?
Die Sprache in erster Linie. Sie ist wunderschön. Ansonsten sind die Franzosen nicht so locker und leger wie viele meinen, sondern eher konservativ. Und sehr herzlich, wenn man Ihre Sprache beherrscht. Fremdsprachen sind ja ihre Schwäche.

Hollande hat diesmal auch ein paar deutsche Sätze gesprochen. Wie kam das an?
Der Präsident wirkte entspannter als sonst. Meine französischen Freunde sagten mir schon vorher: Warte ab, der kann auch Humor haben. Vor allem aber fand ich es schön, die jungen Zuschauer jubeln zu sehen. Ich bin unwahrscheinlich dankbar, dass Friede und Freundschaft zwischen diesen beiden Nationen weitergehen. Wer das auf den Euro reduziert, hat nichts kapiert. Man kann nicht bei jedem Rückschlag die Flügel hängen lassen.

Haben Sie vorm Haus die Tricolore gehisst?
Das mache ich tatsächlich, aber nur wenn ich Freunde aus Frankreich zu Gast habe. Stimmt: Eigentlich sollte ich das gleich tun.