Die Schlösserverwaltung Baden-Württemberg lässt das Zeltzimmer Friedrichs I. im Ludwigsburger Schloss restaurieren und kommt damit einer zentralen Forderung des Bündnisses Kunst auf Lager entgegen. Das Gremium will in Depots vergessene Schätze heben.

Ludwigsburg - Auch Werke der Moderne können kaputt gehen“, sagt Philip Kurz. „Und dann brauchen die Galerien viel Schotter, um das wiederherzustellen.“ Als Beispiel nennt der Geschäftsführer der Wüstenrot-Stiftung Rebecca Horns „Chor der Heuschrecken“, der anfangs mit 35 Stimmen – sprich: 35 an der Decke befestigten Schreibmaschinen – bestückt war. Mittlerweile sind die alten Maschinen kaputt, Ersatz ist nur schwer zu beschaffen – also ist das Werk im Depot der Hamburger Kunsthalle verschwunden.

 

Im Februar haben Stiftungen und Museumsverbände in Berlin das Bündnis Kunst auf Lager ins Leben gerufen. Es soll helfen, herausragende Werke wieder präsentabel zu machen. Jetzt hat sich das Bündnis im Ludwigsburger Schloss getroffen und beschlossen, 50 Werke – darunter auch kunsthistorisch Bedeutsames aus vormodernen Zeiten als auch Fundstücke in archäologischen Museen – ans Licht zu holen. Was und in welchem Rahmen gefördert wird, bestimmen die Stiftungen gemäß ihrer jeweiligen Förderschwerpunkte. Über Geldsummen wird nicht gern gesprochen, aber im ersten Halbjahr sollen für das Heben von Depotschätzen bereits 1,2 Millionen Euro aufgebracht worden sein.

Kreuztragung von Matthias Grünewald

„In manchen Museen ist das wie mit dem Eisberg“, sagt Martin Hoernes, der stellvertretende Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder. „Die können wirklich nur einen Bruchteil ihrer Objekte ausstellen und bis zu 80 Prozent der Sammlungen verstauben in den Depots.“ Die 14 Partner im neuen Bündnis – darunter die Zeit-, die Volkswagen-, die Oetker- und die Reemtsma-Stiftung – wollen, dass möglichst viele dieser Schätze wieder in die Ausstellungen zurückkehren können.

In Baden-Württemberg stehen sehr unterschiedliche Objekte ganz oben auf der Liste der Dinge, die man dem Publikum wieder zugänglich machen möchte. Sie reicht von einem 180 Millionen Jahre alten Saurierfossil, das ohne Konservierung keine 18 Jahre mehr überdauern würde, bis hin zu einem Hauptwerk der Kunstgeschichte: einer Kreuztragung von Matthias Grünewald, das sich im Besitz der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befindet.

Möbel-, Textil- und Gemälderestauratoren der baden-württembergischen Schlösserverwaltung sind gegenwärtig gemeinsam an einem Projekt in Ludwigsburg beteiligt. Ziel ist es, die königlichen Gemächer von Friedrich I. im Residenzschloss wieder in ihrem Empireglanz zeigen zu können; insgesamt 30 Räume. Ein Kernstück davon ist das sogenannte Zeltzimmer des ersten württembergischen Königs. „Das war um 1800 eine Mode, vermutlich eine Reaktion auf Napoleons Feldzug in Ägypten“, sagt Saskia Esser, die Leiterin des Bereichs Entwicklung, Sammlung und Besucherangebote der Staatlichen Schlösser.

Überraschende Entdeckung

„Wir haben festgestellt, dass sich die authentischen Textilien im Ludwigsburger Schloss konservieren lassen.“ Da es das einzige erhaltene Zeltzimmer in einem deutschen Feudalbau sei, werde es nun restauriert. „Das sind wir auch den Generationen vor uns schuldig, die diese Schätze über Kriege hinweg gerettet haben“, sagt Esser. Mit einer Fertigstellung sei jedoch nicht vor 2019 zu rechnen, sagt die Chefrestauratorin für Textilien, Susanne Michels.

Anja Kühn, als Restauratorin für die historischen Möbel zuständig, hat in einem Registrierschrank des Königs eine Entdeckung gemacht: Sie hat herausgefunden, dass Gefäße, deren Bedeutung lange nicht klar war, im frühen 19. Jahrhundert als Übertöpfe verwendet worden sind. Auch sie werden nun restauriert, um klar zu machen, dass das Residenzschloss in der Zeit des Klassizismus voller Blumen stand. „Es war die Epoche, in der der Garten ins Haus kam“, sagt Saskia Esser. Etwas, was den Menschen im Barock nie in den Sinn gekommen wäre, war unter Friedrich I. zur Marotte geworden: „Wir müssen uns vorstellen, dass die königlichen Räume voller Gartenblumen waren“, sagt Esser.