Da das diesjährige Motto des Festivals Zersplitterung heißt, stellt der Bundestagspräsident Europa in den Mittelpunkt seiner Rede. In den Zeiten der Krise erinnert er an die Chance, Frieden und Freiheit gleichzeitig erleben zu können.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Auf zwei Dinge, so sagte Thomas Wördehoff, der Intendant der Schlossfestspiele, bei seiner Einführung in die Musik des Abends, sei er stolz. Zum einen, dass es gelungen sei, für die kommende Spielzeit den Finnen Pietari Inkinen als Chefdirigenten für das Festspielorchester zu gewinnen. Denn das sei „eine Liebesbeziehung von der ersten Minuten an gewesen“. Er habe es noch nie erlebt, dass ein Dirigent sein Orchester während der Proben nicht einmal um Ruhe habe bitten müssen. Bei der Begegnung der Musiker mit Inkinen war das aber offenbar der Fall.

 

Aber noch auf eine andere Sache ist der Festivalchef stolz. Darauf nämlich, dass es geglückt sei, Bundestagspräsident Norbert Lammert nach Ludwigsburg zu holen. Er sei ein wirklich engagierter Förderer der Kultur. Denn die Ludwigsburger Schlossfestspiele – vollständig: die internationalen Festspiele Baden-Württemberg – sind eine Traditionsveranstaltung. Und zum guten Brauch gehört es, dass die Gäste des Eröffnungsabends durch einen Gastredner begrüßt werden. Dieses Jahr war die Rolle Norbert Lammert zugefallen, der einen Ruf als scharfzüngiger, den Finger in die Wunde legender Redner hat.

Lammerts Rede ist ein Plädoyer für Europa

Lammert beschäftigte sich in seiner ungewöhnlich kurzen Ansprache natürlich mit dem Thema Europa. Das Leitmotiv der Festspiele 2014 lautet schließlich 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs Zersplitterung. Das sei ein allgemeiner und zugleich auffälliger Titel, so Lammert. Und so fällt einem politisch denkenden Menschen wie ihm zwangsläufig der Staatenbund von mittlerweile 28 Staaten ein, „die ausnahmslos alle über demokratisch gewählte Regierungen verfügen“. Lammert nannte die Ukraine mit keiner Silbe. Aber die Ereignisse dort standen wohl allen seinen Zuhörern deutlich vor Augen, als er still, aber eindringlich auf die Chancen eines geeinten Europas hinwies. Es habe die Chance, dass aus Zersplitterung Einheit werde und dass Frieden und Freiheit gleichzeitig zu haben seien. Er schloss mit der Mahnung: „Das ist nicht immer gemütlich, aber sehr erstrebenswert.“ Er nahm Bezug auf die zuvor gespielte Komposition Edgar Elgars „Pomp and Circumstances“, der heimlichen britischen Nationalhymne. Wenig Pomp und viel Drumherum, so kann man seinen Wort deuten, das sei Europa.

Die aktuelle Saison wird entspannter

Und dann kam auch schon wieder die Musik zum Zug. Inkinen führte den Konzert- und Veranstaltungsreigen der nächsten elf Wochen zusammen mit dem Orchester und der lettischen Geigerin Baiba Skride fort. Trotz aufregender Zeiten in Europa werden die diesjährigen Schlossfestspiele aber wahrscheinlich für alle Beteiligten die vergleichsweise entspanntesten sein. Nach den Querelen des letzten Jahres ist klar: Bis zum Jahr 2017 liegt ihre künstlerische Planung und Konzeption in den Händen Thomas Wördehoffs.