Schlossfestspiele in der Industriearchitektur des Urban Harbor: Wie virtuelle Realität in Ludwigsburg eine besondere Orchesterbegegnung möglich macht.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Jochen Sandig auf Knien – ein nicht gerade alltäglicher Anblick. Doch was der Intendant der Ludwigsburger Schossfestpiele, angetan mit VR-Brille und Kopfhörern, gerade erlebt und was von der Außenbetrachtung her etwas eigenartig anmutet, ist tatsächlich zum Niederknien. Das kann man aber nur wirklich nachvollziehen, wenn man sich selbst auf das Experiment einlässt. Hat man die verkabelte Kopf-Last erst einmal auf dem Haupt, vergisst man mögliche Alltags-Lasten umgehend und landet in einem Traum: Felix Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“.

 

Im Speisewerk im Urban Harbor in der Weststadt, einem Paradebeispiel von mit neuem Leben und innovativen Ideen erfüllter Industriearchitektur, haben die Schlossfestspiele und das Mahler Chamber Orchestra (MCO) mit einem bestens dorthin passenden Virtual-Reality-Projekt angedockt: Drei Tage lang können Neugierige dem musizierenden Orchester dort auf einer eigens abgetrennten Fläche virtuell begegnen.

Das in Zusammenarbeit mit den 3D-Spezialisten Henrik Oppermann entstandene dreidimensionale Erlebnis beamt einen mitten ins spielende Orchester hinein und ermöglicht ungeahnte Hörerfahrungen: Statt wie üblich als Zuhörer vor den Musikerinnen und Musikern zu sitzen, wandelt man im virtuellen Raum mitten unter ihnen, man kann sich vor sie oder hinter sie stellen, ja sogar durch sie hindurchgehen, und die Musik von ihrem Standpunkt aus erleben.

Intendant bei der VR-Selbsterfahrung: Jochen Sandig sieht und hört, im Gegensatz zum Betrachter, das Mahler Chamber Orchestra. Foto: Susanne Mathes

Je nachdem, wie man seine Position verändert, verändert sich der Klang der Mendelssohn-Ouvertüre: Steht man bei den Kontrabässen, hört man ihren satten Sound und kann jeden Bogenstrich mitverfolgen. Flaniert man zu den Klarinetten oder Querflöten, hört man deren Part prägnanter. Selbst ob man im Stehen oder auf dem Boden sitzend lauscht, macht Klangunterschiede. Und passend zum flirrenden, spielerischen Shakespeare-Sommernachtstraum ist die ganze Orchester-Szenerie in eine glitzernde, irisierende Traumwelt eingebettet.

Am Donnerstag und Freitag freuten sich viele Interessierte an dem Abenteuer, das rund sieben Minuten währt – vom Kind bis zur Seniorin mit Gehstock. An diesem Samstag, 1. Juli, spielen Mitglieder des Mahler Chamber Orchestra zum Abschluss nicht virtuell, sondern live im Speisewerk des Urban Harbor in der Schwieberdinger Straße 72 -74 – um 13 Uhr bei einem 40-minütigen Lunch-Konzert. Der Eintritt ist frei.