Die lang ersehnte Feuerpause ist schon wieder gescheitert. Blutige Angriffe auf einen UN-Hilfskonvoi in der Provinz Aleppo hat weltweit Empörung ausgelöst.

Damaskus - Ein gewaltiger Feuerball auf dem Video durchzuckte die Nacht, dann standen die voll beladenen UN-Lastwagen und die Lagerhalle in hellen Flammen. Mindestens 20 Fahrer und Helfer starben, als offenbar syrische oder russische Kampfflugzeuge in der Provinz Aleppo einen gemeinsamen Hilfskonvoi der Vereinten Nationen, des Roten Halbmonds und des Roten Kreuzes zusammenschossen. Eine solche Bluttat hat es selbst in dem so bestialischen syrischen Bürgerkrieg bisher noch nicht gegeben und löste weltweites Entsetzen aus. Syrien und Russland allerdings stritten ab, den Angriff verübt zu haben. „Solche Meldungen sind unwahr“, hieß es in syrischen Staatsmedien.

 

Washington versuchte unterdessen am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York mit Moskau auszuloten, ob sich die nach sieben Tagen faktisch zusammengebrochene Feuerpause von Genf noch retten lässt. Diesen Mittwoch tagt der UN-Weltsicherheitsrat. „Das ist ein sehr, sehr schwarzer Tag für alle humanitären Helfer in Syrien und in der ganzen Welt“, erklärte ein UN-Sprecher und kündigte an, man habe sämtliche Hilfstransporte in Syrien vorerst gestoppt. UN-Hilfekoordinator Stephen O’Brien sprach von einem „möglichen Kriegsverbrechen“, sollte sich herausstellen, das dieser kaltschnäuzige Angriff bewusst humanitäre Helfer ins Visier genommen habe. „Unsere Empörung ist gewaltig“, erklärte auch der Syrienvermittler der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura. Dieser Konvoi sei das Ergebnis langer Vorbereitungen und eines langen Prozesses gewesen, um eingeschlossenen Zivilisten in der Provinz Aleppo zu helfen. Der zweite vom Regime nach einem ähnlich endlosen Hin und Her genehmigte Transport in der Provinz Homs wurde von syrischen Regimesoldaten an der Weiterfahrt gehindert, die geladenen Medikamente beschlagnahmt und gestohlen.

Damaskus hat von Anfang an auf Zeit gespielt

US-Außenminister John Kerry, der erst vor einer Woche in Genf mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow den siebentägigen Waffenstillstand ausgerufen hatte, machte Moskau für den Luftangriff verantwortlich. „Nicht die Syrer haben den Vertrag gemacht, sondern die Russen“, erklärte Kerry. „Es ist wichtig, dass die Russen Assad kontrollieren, der wahllos bombardiert, selbst humanitäre Konvois.“

Mit beigetragen zu dem Ende der Feuerpause hatte am Samstag auch ein offenbar irrtümlicher Angriff von US-Kampfflugzeugen auf einen Posten der syrischen Armee, bei dem mindestens 90 Soldaten starben. In dem von beiden Großmächten vereinbarten Vertrag gehörten Lieferungen von Lebensmitteln und Medikamenten für das umzingelte Aleppo sowie die 15 anderen Hungerenklaven im Land zu den Kernpunkten. Doch Damaskus sträubte sich von Anfang an und spielte die gesamten kampffreien Tage auf Zeit, um das Los der Eingeschlossenen nicht zu erleichtern.

Die ersten Bomben auf den Konvoi, danach Bomben auf die Helfer

Das Regime setzt darauf, immer mehr Rebellenenklaven zur Kapitulation zu zwingen. Die verbliebenen Aufständischen sollen dann mit Bussen in die Rebellenprovinz Idlib evakuiert werden. Diese Taktik hatte zuerst Erfolg bei Darayya, einem Vorort von Damaskus. In den nächsten Tagen sollen auch in Homs die letzten 300 Rebellen mit ihren Familien freies Geleit erhalten und in den Norden Syriens abgeschoben werden. Nach Angaben von Augenzeugen bombardierten die Kampfflugzeuge den UN-Konvoi in zwei Wellen, zunächst die Fahrzeuge und dann nach einer gewissen Pause auch die herbeigeeilten Rettungskräfte. Solche Doppelschläge sind typisch für syrische oder russische Angriffsoperationen.

Unter den Toten ist auch der Chef des syrischen Roten Halbmonds für die Region Aleppo. Mindestens 18 der 31 Lastwagen sind zerstört. Sie wurden gerade entladen, ihre Fracht sollte die Menschen in der belagerten Stadt Orum al-Kubra im Westen der Provinz Aleppo versorgen. Nach Angaben der UN waren die syrische und die russische Seite über sämtliche Koordinaten informiert. Mit dem Ende der Waffenruhe wurde auch der von Aufständischen kontrollierte Ostteil Aleppos wieder pausenlos bombardiert. Die Einwohner berichteten, das Regime setze ungewöhnlich große Fassbomben ein. In die wenigen noch funktionsfähigen Kliniken wurden ständig neue Opfer eingeliefert, mindestens 40 Menschen starben in dem Bombenhagel. Auch an anderen Fronten flammten die Kämpfe wieder auf, etwa im Süden Aleppos. Dort versuchen die Rebellen erneut, einen Versorgungskorridor freizukämpfen.