Hemmingen zählt gut 8000 Einwohner. Die vergleichsweise kleine Kommune ist untrennbar mit der Familie von Varnbüler verbunden. Diese hat lange das Wachstum Hemmingens gebremst. Der Gemeinderat hatte das Nachsehen.

Hemmingen - Hemmingen ist in den vergangenen Jahren ordentlich gewachsen – und wird das weiter tun. Allerdings nicht unbegrenzt. „Es wird endlich sein“, sagt der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU). Seiner Einschätzung nach wird die Gemeinde die 10 000 Einwohner nicht schaffen, sondern noch um rund 1000 Menschen wachsen – und somit den Status einer Gemeinde behalten, statt eine Stadt zu werden.

 

Der gültige Flächennutzungsplan sieht noch zwei Baugebiete vor: Im Norden die Varnbülersche Fläche Herzengrund mit einer Größe von 5,5 Hektar westlich der bereits bebauten Hälde, im Süden den Schöckinger Weg. Weil der Herzengrund nach wie vor nicht zum Verkauf steht, treiben die Hemminger die städtebauliche Entwicklung im Süden voran. Drei Hektar groß ist das Acker- und Wiesengelände an der Alten Schöckinger Straße. Ein weiterer geringerer Wachstumstreiber ist Arrondierung.

Angewiesen auf den Großgrundbesitzer

Ende 2020 zählte die Gemeinde 8044 Einwohner, zehn Jahre zuvor waren es 7354. In der rund 7,5 Hektar großen Hälde entstand seit 2014 Platz für bis zu 800 Menschen. So schnell war das Gebiet aufgesiedelt, wie es der vormalige Grundbesitzer nicht für möglich gehalten hatte.

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Ehrlich überrascht zeigte er sich später darüber, dass der Wohnraum in der Hälde so nachgefragt war. Lange hatten die Hemminger darum gerungen, das Siedlungsgebiet zu vergrößern. Sie waren darauf angewiesen, dass Ulrich Freiherr von Varnbüler, im Ort kurz „der Baron“ genannt, die Fläche im Norden der Gemeinde veräußern würde.

Ringen mit dem Großgrundbesitzer

Als dem inzwischen verstorbenen von Varnbüler 2018 die höchste Auszeichnung der Gemeinde verliehen wurde, war beim Festakt keine Rede davon, dass es in den Jahren zuvor intensive Diskussionen zwischen ihm und dem damaligen Bürgermeister Werner Nafz gegeben hatte. Der Baron hielt Schätzungen zufolge knapp zehn Prozent der Markungsfläche in seinem Besitz. Dazu zählte eben auch die Fläche Hälde/Herzengrund.

Die Gemeinde wollte neun Hektar bebauen, fünf waren im Eigentum von rund 30 Eigentümern. Der Baron verkaufte seinen Grund und Boden – vier Hektar – nicht. Dabei blieb er mit Verweis auf Prognosen, dass die Gemeinde nicht so viel Wohnraum benötigen würde. Er wollte die Flächen nicht der Landwirtschaft entziehen. Mit der Reduzierung des Baugebiets starben endgültig auch die Pläne für eine Ortsumfahrung, die vom Durchgangsverkehr entlasten sollte und die zwischenzeitlich vom Land skeptisch gesehe wurde. Der Unmut über den Baron war freilich nicht von Dauer: die Hemminger wussten um das Gute, das sie dem Grundbesitzer auch verdankten.

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Die Frage, wie viel Wachstum Hemmingen noch verträgt, begleitet die Kommune daher seit Jahrzehnten. Zuletzt warf der Gemeinderat sie im Zuge der Entwicklung des Neubaugebiets Schöckinger Weg auf. Die Kommune ächzt zum Beispiel unter dem Verkehr, der täglich durch den Ort rollt, das weiß auch der Bürgermeister.

Es sei jetzt schon schwierig, sagt er. Dennoch, das Neubaugebiet kommt. Der Bürgermeister geht davon aus, dass der Bebauungsplan für den Schöckinger Weg noch 2022 rechtskräftig wird. Ziel sei nächstes Jahr die Erschließung, sodass von 2024 an privat gebaut werden könne.

Coworking im Alten Rathaus

Freie Flächen für weiteren Wohnraum sind in Hemmingen ebenso Mangelware wie für weitere Gewerbeansiedlungen. Könnten dank der Digitalisierung nicht Firmen etwa aus der IT-Branche oder Start-ups mit geringem Raumbedarf angelockt werden?

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Im Alten Rathaus seien Coworking-Spaces möglich, sagt der Bürgermeister Thomas Schäfer, der insgesamt aber im Ort „keinen großen Run“ jener Unternehmen feststellt. Dafür seien, so fügt er an, neben freien Flächen Kontakte nötig. Und grundsätzlich seien schnelles Internet und ein gut ausgebauter ÖPNV wichtig. Oder wie der Rathauschef es nennt: „Das kleine Einmaleins der Wirtschaftsförderung“.

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