Die zweitgrößte deutsche Fluglinie fliegt noch tiefer ins Minus. Sanierer Pichler ist die Trendwende bisher nicht gelungen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die wirtschaftliche Lage von Air Berlin hat sich nochmals deutlich verschlechtert. Umsatz, Auslastung, Passagier- und Mitarbeiterzahl schrumpfen weiter, Verluste und Schulden sind noch größer geworden. Eine Analyse des aktuellen Halbjahresberichts der zweitgrößten deutschen Airline zeigt: Vorstandschef und Sanierer Stefan Pichler hat die versprochene Trendwende bisher nicht geschafft und noch viel Arbeit vor sich.Zu den abermals enttäuschenden Kennzahlen äußerte sich der Manager nur per Pressemitteilung, auf die sonst übliche Telefonkonferenz wurde verzichtet. Pichler begründet den von 248 auf fast 272 Millionen Euro ausgeweiteten Halbjahresverlust vor allem mit sinkender touristischer Nachfrage wegen Terrorangst. Die instabile Situation in Feriengebieten wie der Türkei, Griechenland und Nordafrika treffe Air Berlin „besonders hart“. Gleichzeitig leide man bei Flügen nach Spanien unter dem „allgemeinen Preisverfall“ wegen Überkapazitäten im Markt. Im ersten Halbjahr zahlten Kunden für ein Ticket im Schnitt noch 112 Euro, fünf Euro weniger als im Vorjahreszeitraum.

 

Besserung scheint nicht in Sicht, wie das Unternehmen ausdrücklich betont. Der Druck auf die Ticketpreise werde anhalten, der Wettbewerb sich weiter verschärfen. Die Geschäftsentwicklung sei daher „mit mehr Risiken behaftet“ als bisher angenommen, heißt es im Bericht. Dazu zähle auch der beschlossene EU-Austritt Großbritanniens, der eine Reorganisation der Gruppe zur Folge haben könne „mit den damit verbundenen Kosten“.

Großaktionär Etihad greift Air Berlin seit Jahren unter die Arme

Air Berlin PLC & Co. ist eine Aktiengesellschaft nach britischem Recht. Negative Folgen für die Flugrechte in der EU werden durch den Brexit nicht befürchtet. Entscheidend sei, dass die Eigentümer mehrheitlich in der EU beheimatet seien. Der arabische Großaktionär Etihad hält bisher knapp 30 Prozent und Air Berlin seit Jahren durch Kredite und Bürgschaften am Himmel. Im Gegenzug profitiert die Staatsfluglinie aus dem steinreichen Öl-Emirat Abu Dhabi, deren Start- und Landerechte in Europa limitiert sind, von der immer engeren Einbindung der deutschen Airline in das weltweite Netzwerk.

Die gemeinsam vermarkteten Flüge von Air Berlin und Etihad per Code-Sharing sind seit Jahren auch politisch heftig umstritten. Besonders Konkurrenten wie die Lufthansa ist diese Hintertür-Strategie ein Dorn im Auge. Allerdings scheint sich der Wind zu drehen. Hinter den Kulissen soll bereits über eine Übernahme eines Teils der Air-Berlin-Flotte durch die Lufthansa-Tochter Eurowings verhandelt werden. Dabei soll es um 40 der noch 144 Maschinen mitsamt den Mitarbeitern gehen.

Beobachter vermuten, dass auch Etihad und den Scheichs die anhaltenden gewaltigen Verluste von Air Berlin allmählich zu viel werden. Im ersten Halbjahr schrumpfte der Umsatz um 157 Millionen auf 1,7 Milliarden Euro, das operative Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) weitete sich von 176 auf 272 Millionen Euro aus. Bereits voriges Jahr flogen die Berliner ein Rekordminus von 447 Millionen Euro ein. Die Bilanz von Air Berlin hat massive Schlagseite, ohne die Hilfe aus Abu Dhabi wäre die Fluglinie längst am Ende. Im April sicherte Etihad zwei weitere Darlehen aus Arabien an Air Berlin von insgesamt mehr als 250 Millionen Euro ab. Die Nettofinanzschulden der Deutschen wuchsen dadurch auf 927 Millionen Euro. Das Eigenkapital ist negativ und weist inzwischen einen Fehlbetrag von fast einer Milliarde Euro aus. Die langfristigen Sachanlagen werden nur noch knapp 132 Millionen Euro angegeben, nachdem weitere Flugzeuge verkauft wurden.

Nettofinanzschulden von fast einer Milliarde Euro drücken die Airline

Sanierer Pichler hält weiterhin „tiefgreifende Veränderungen“ im Unternehmen für nötig. Derzeit hat Air Berlin noch 8656 Mitarbeiter, knapp 500 weniger als vor einem Jahr. Die Drehkreuze in Berlin und Düsseldorf sollen noch mehr ins Etihad-Netzwerk integriert und die Anbindung an das Etihad-Drehkreuz Abu Dhabi noch verstärkt werden, zum Beispiel durch neue Angebote mit Zwischenstopp-Aufenthalten am Golf. Gleichzeitig baut Air Berlin die Nonstop-Flüge in die USA aus.

Air Berlin selbst fliegt noch 131 Destinationen an, 40 weniger als noch 2013, und beförderte im ersten Halbjahr 13 Millionen Fluggäste, fast 800 000 weniger. Der Kurs der Air-Berlin-Aktie fiel auf nur noch 67 Cent, ein Bruchteil des einstigen Ausgabepreises. Wer seit dem Börsengang dem Unternehmen treu blieb, hat fast das gesamte Kapital verloren.