Präsident Donald Trumps neuer Sprecher Anthony Scaramucci teilt gegen seine Konkurrenten in der Machtzentrale aus. Die Öffentlichkeit schwankt zwischen Amüsement und Entsetzen.

R Washington - yan Lizza war sich zunächst nicht sicher, ob der Anruf ernst gemeint war. Am anderen Ende der Leitung meldete sich bei dem Korrespondenten des Magazins „New Yorker“ am Mittwochabend Anthony Scaramucci, der neue Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses. Woher  Lizza wisse, dass Trump und er kurz zuvor mit einem Moderator des rechten Fernsehsenders Fox zu Abend gegessen hätten, wollte er wissen. Als dieser die Auskunft verweigerte, tobte der ehemalige Hedgefonds-Manager: „Ich werde meine ganze Presseabteilung rausschmeißen!“

 

Damit hatte die wilde Tirade des neuen Stars am Hofe des US-Präsidenten erst begonnen. Zwar trägt Scaramucci das schwarze Haar glatt gegelt nach hinten und verbirgt seine Augen im Mafiastil gerne hinter verspiegelten Sonnenbrillen. Aber ansonsten gilt der New Yorker Geschäftsmann mit dem Wolfslächeln als jüngerer Wiedergänger von Donald Trump: Beide sind reich, ruchlos und ichfixiert. Und beide sind sauer, weil trotz Kontrollen und drakonischer Strafen  immer neue Indiskretionen aus dem Weißen Haus an die Öffentlichkeit dringen. Mit unerhörten Worten machte Scaramucci dafür bei dem Telefonat laut „New Yorker“ den Behördenboss Reince Priebus verantwortlich. Der Stabschef sei „ein verfickter paranoider Schizophrener“, soll der PR-Direktor gepöbelt haben. 

„Der Fisch stinkt vom Kopf her“

Damit nicht genug: Noch in der Nacht setzte Scaramucci einen an Priebus adressierten Tweet ab, in dem er drohte, die Bundespolizei FBI einzuschalten. Kurz darauf löschte er zwar den Tweet, rief aber am nächsten Morgen beim CNN-Frühstücksfernsehen an, um sich in einem Live-Telefonat eine halbe Stunde lang über angebliche Saboteure in der Regierung zu beklagen: „Der Fisch stinkt vom Kopf her. Und ich und der Präsident stinken nicht.“

Im Weißen Haus, dem ehemals ehrwürdigen Amtssitz des mächtigsten Regierungschefs der Welt, herrscht Krieg. Seit dem Amtsantritt von Trump ist der Westflügel, in dem der Präsident und seine engsten Mitarbeiter ihre Büros haben, zu einem Hort von ungezügelten Rivalitäten, Intrigen und rücksichtslosen Machtkämpfen geworden. Je härter die politischen Rückschläge für die Regierung bei ihren angestrebten Reformen werden, desto brutaler fallen die internen Attacken aus. Der Präsident persönlich lebt es vor. Er beginnt seinen Tag mit Twitter-Botschaften wie dieser: „Justizminister Sessions hat sich als äußerst schwach erwiesen.“ Er desavouiert seinen Verteidigungsminister James Mattis durch einen Alleingang zum Transgender-Bann für das Militär. Er lässt seinen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster mit seinem Afghanistan-Plan auflaufen. Und er sucht laut Medien längst nach einem Nachfolger für Priebus. 

Trump genießt das Gemetzel  

Was Trump von den jüngsten Attacken seines Kommunikationschefs hält? „Der Präsident mag einen gesunden Wettbewerb“, antwortet Sprecherin Sarah Sanders, als sie am Donnerstag bei einer Pressekonferenz auf den Anruf angesprochen wird. Ob der Stabschef noch das Vertrauen des Präsidenten habe, wollen die Journalisten wissen. Die Frau mit dem Charme eines Feldwebels weicht wortreich aus.

„Wir haben Differenzen. Aber wir sind Brüder – wie Kain und Abel“, hat Scaramucci am Morgen über Priebus gesagt. Bibelkenner wissen: Die Sache ging für Abel nicht gut aus. Nun scheint sich das alttestamentarische Drama zu wiederholen. Ein Foto, das am Dienstag im Oval Office des Präsidenten entstand, spricht Bände: Priebus und Scaramucci stehen sich gegenüber. Der Stabschef mustert den Kommunikationsdirektor abschätzig. Ein Kugelschreiber in seiner Hand weist in dessen Richtung. Angriffslustig, mit beiden Händen nahe dem imaginären Colt am Hosengürtel, blickt ein rauflustiger Scaramucci zurück. Bis zum „High Noon“ im Weißen Haus kann es nicht mehr lange dauern. 

Trump stört das nicht. Im Gegenteil. Er befördert die Rivalitäten, spielt gerne eine Hofschranze gegen die andere aus und lässt alle im Unklaren über ihre wahre Stellung. Dieser Darwinismus gefällt dem narzisstischen Ego des Milliardärs und bringt nach seinen Erfahrungen bei zwielichtigen Immobiliendeals und im Fernsehen die besten Ergebnisse. In seiner Reality-TV-Show „The Apprentice“ (Der Lehrling) kämpften 14 Staffeln lang erfolgshungrige  Bewerber um einen Praktikumsplatz in einem Trump-Unternehmen. Am Ende jeder Folge saß der Baulöwe gottgleich in einem Ledersessel, musterte die Kandidaten, zeigte unvermittelt mit dem Finger auf einen von ihnen und sagte genüsslich: „You’re fired!“ (Du bist gefeuert).

Justizminister Sessions auf der Abschussliste

Ganz ähnlich hat es Trump als Präsident mit der damaligen Justizministerin Sally Yates und mit FBI-Chef James Comey gemacht, die er kurzerhand rauswarf. Seither überlässt er die Schmutzarbeit lieber anderen: Mit der Berufung Scaramuccis trieb er seinen Sprecher Sean Spicer zur Kündigung. Nun gibt er Priebus zum Abschuss frei und versucht, Sessions zur Amtsaufgabe zu drängen. Angeblich will er noch  während der Sommerpause einen neuen Justizminister ernennen. Dessen erste Aufgabe dürfte sein, den unbequemen Sonderermittler Robert Mueller zu entlassen, der Belege für Straftaten von Trump sammelt. 

Eine Justizministerin, ein FBI-Chef, ein Sprecher und nun mutmaßlich ein Amtschef sowie ein weiterer Justizminister – der Personalverschleiß des Präsidenten in nur sechs Monaten ist beachtlich. Immer geht es um Trumps einseitiges wie unbedingtes Verständnis von Loyalität: Wenn er diese nicht zu bekommen glaubt, kennt er keine Gnade. Yates mochte das Einreiseverbot nicht verteidigen, Comey verweigerte einen Persilschein, und Spicer konnte die Popularitätswerte nicht verbessern. Das war ihr politisches Todesurteil. Seinem Stabschef Priebus lastet Trump die Durchstechereien an. Und von Sessions fühlt er sich in der Russen-Affäre nicht ausreichend verteidigt.

Im rechten Lager wächst die Unruhe

Die öffentliche Desavouierung von Sessions, der als Senator der erste und treueste Trump-Unterstützer war, hat System. Wegen verschwiegener eigener Kontakte zum russischen Botschafter hat der Justizminister im März die Verantwortung für die Untersuchung der Russen-Affäre an seinen Stellvertreter übertragen. „Das ist sehr unfair gegenüber dem Präsidenten“, wetterte Trump kürzlich in einem Interview. „Wenn er mir das früher gesagt hätte, hätte ich erklärt: Danke, Jeff, ich kann dich nicht nehmen.“ Der Gedanke, dass er durch eigene Fehler die Affäre erst richtig in Schwung gebracht hat, kommt Trump nicht.

Tatsächlich feuerte er ohne objektiven Anlass FBI-Chef Comey und  begründete dies mit dem „Russland-Ding“.  Zu allem Überfluss drohte er Comey mit geheimen Gesprächsmitschnitten, die es nicht gibt. Das lieferte wichtige Indizien für die Ermittlungen wegen Behinderung der Justiz. Um diese Ermittlungen niederzuschlagen, muss Trump nun erst Sessions und dann Mueller aus dem Weg räumen. Doch sein Versuch, den Justizminister aus dem Amt zu mobben, zeigt keinen Erfolg. „Ich bleibe, solange der Präsident das will“, sagte der stockkonservative Sessions am Donnerstag. Mit anderen Worten: Trump müsste ihn feuern. Das aber dürfte Unruhe beim rechten Republikaner-Flügel auslösen.   

Auch anderswo rührt sich Widerstand gegen Trumps autokratischen Führungsstil. „Jeder Versuch, Sonderermittler Mueller herauszuwerfen, könnte der Anfang vom Ende der Präsidentschaft sein“, warnt der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham. Und die rechte Basis wird unruhig über das Chaos im Weißen Haus. „Die Scaramucci-Show“, überschreibt die Propagandaseite Breitbart einen Artikel, der davor warnt, dass Trumps Politik von den Extratouren seines PR-Chefs verdunkelt wird.  

Doch längst haben die Grabenkämpfe im Weißen Haus eine Dynamik entfaltet, die kaum noch zu stoppen ist.