Wie sind Ihre Perspektiven im Marathon?
Mein Fernziel sind die Olympischen Spiele in Tokio 2020.
Dann sind Sie . . .
. . . 39 Jahre alt, ich weiß. Aber das ist im Marathonlauf kein Problem, zumal ich in keinster Weise verschlissen bin und von meiner nun überstandenen Verletzung sogar noch profitieren werde.
Inwiefern?
Ich habe mich in dem halben Jahr Pause komplett erholt und ein Problem, mit dem sich mein Körper nun wohl schon acht Jahre mehr oder weniger beschäftigt, hinter mir gelassen. Dazu habe ich ein ganz anderes Körperbewusstsein entwickelt. Das alles könnte einen richtigen Leistungssprung bewirken.
In welchen Bereich?
Schon bei meinem deutschen Rekord hatte ich das Potenzial, eine Minute schneller zu sein. Wenn ich als Ex-Bahnläufer mehr Erfahrung im Marathon gesammelt habe und es schaffe, meine Schnelligkeit zu behalten, sehe ich keinen Grund, warum eine Zeit von 2:06 Stunden nicht möglich sein sollte.
So schnell war noch nie ein Europäer.
Stimmt. Aber ich war ja auch schon 2015 die Nummer eins in der europäischen Bestenliste. Und ich habe im Sport gelernt: Wer Großes erreichen will, der muss groß denken. Nur wer einen Traum hat, der kann diesen auch realisieren.
Ist diese Denkweise so außergewöhnlich?
In Deutschland schon. Mich stört die Zurückhaltung, mit der wir hier ständig unterwegs sind. Ein Leistungssportler muss an sich glauben, er muss sich etwas zutrauen. Die Psyche kann die ein oder andere Trainingseinheit ersetzen.
Wo liegen Ihre Grenzen?
Das weiß ich nicht. Aber ich werde versuchen, sie auszutesten.
Wo liegen die Grenzen im Marathon?
Aktuell steht der Weltrekord des Kenianers Dennis Kipruto Kimetto bei 2:02,57, gelaufen 2014 in Berlin. Ich weiß nicht, wo und wann, vielleicht erst in 20 oder 30 Jahren – aber ich glaube, dass eine Zeit von unter zwei Stunden möglich ist.
Sauber?
Sauber!
Es gibt Experten, die zweifeln schon jede Zeit unter 2:05 Stunden an.
Natürlich muss im Anti- Doping-Kampf viel mehr passieren. Für Äthiopien zum Beispiel gilt: Wo nicht kontrolliert wird, kann auch nichts gefunden werden. Und auch Kenia ist sehr korrupt. Da wird ganz offen Polizisten Geld zugesteckt, und auch die Doping-Kontrolleure sind in der Szene bestens bekannt. Es sind sicher nicht alle sauber. Allerdings habe ich nicht die Überzeugung, dass jeder kenianische Top-Athlet nur zu Hause in seiner Hütte sitzt und sich Epo spritzt.
Wie sieht die Realität aus?
Es ist schwierig, in einem so korrupten System wie in Kenia Doping zu bekämpfen. Deshalb braucht es Kontrolleure von außen, intelligente Tests, ein unabhängiges Doping-Labor in Nairobi. Und man muss endlich beginnen, Grundlagen zu schaffen: Dazu gehört, die Athleten zu registrieren, Ärzte fortzubilden, Listen mit verbotenen Medikamenten zu veröffentlichen. Obwohl dies alles fehlt, bin ich der Meinung, dass heute auch nicht mehr gedopt wird als zu den Epo-Hochzeiten in den 90er-Jahren. Es wird nur mehr aufgedeckt.