Was es heißt, mit Menschen in extremen Situationen zu arbeiten, weiß Marcela Ulloa aus ihrer Zeit in den USA, Spanien und Namibia. Die gebürtige Kolumbianerin und Psychologin ist auf interkulturelle Arbeit mit Migranten spezialisiert. In Ostfildern hat sie eine nicht minder anspruchsvolle Aufgabe gefunden.
Ostfildern - Die gebürtige Kolumbianerin Marcela Ulloa hat in den USA, in Spanien und in Namibia gearbeitet. Wirklich angekommen ist sie jedoch erst im beschaulichen Ostfildern: „Ich fühle mich erst jetzt zu Hause.“ Seit Mai koordiniert die 46 Jahre alte Diplompsychologin das Ostfilderner Mentoring Programm für und mit Flüchtlingen. Die 25 Jahre, in denen sie im Bereich Migration gearbeitet hat, kommen ihr dabei zugute – aber auch die Tatsache, selbst eine Migrantin zu sein.
Als man Ulloa fragte, ob sie den Job übernehmen wolle, sagte sie ganz selbstbewusst zu. „Ich fühle mich sehr passend für die Aufgabe. Ich bin auch Migrantin und erlebe den Integrationsprozess selbst.“ In ihrer Stimme liegen Bescheidenheit und Selbstbewusstsein und ein leichter südamerikanischer Akzent. Wer an Ulloas Türe klopft, möchte sich als Mentor für einen Geflüchteten engagieren. Ulloa hilft den Menschen dabei, das Passende für sich zu finden, ob Sprachunterricht oder Begleitung im Alltag: „Der Beziehungsaufbau ist wichtig. Und die Mentoren entscheiden selbst darüber, was und wie viel sie machen“, erklärt sie. Eine gewisse Verbindlichkeit sei dabei wichtig, weshalb Mentoren und Betreute eine Kooperationsvereinbarung schließen.
Arbeit mit Menschen in extremen Situationen
Getragen wird das Projekt von der Bürgerstiftung Ostfildern, dem Freundeskreis Asyl und der Stadt Ostfildern. Ulloa war den drei Akteuren keine Unbekannte. Bevor sie im Mai mit dem Mentoring-Projekt startete, engagierte sie sich ehrenamtlich in der Blumenhalle im Scharnhauser Park, die bis April als Flüchtlingsunterkunft diente. „Dort lebten 150 Männer. Die Arbeit war sehr intensiv“, sagt sie. Anfangs habe es keine Struktur gegeben. Mangelnde Privatsphäre habe ihr Übriges getan. „Die Männer hatten untereinander viele Konflikte, aber wir haben es hinbekommen, dass Ruhe einkehrt.“ Gelungen sei dies dank Zimmerpaten. Denn schnell habe sie gemerkt, dass es Vertrauenspersonen bedürfe.
Die Fähigkeit, mit Menschen in extremen Situationen zu arbeiten, hat Ulloa in den Jahren zuvor erlangt. Beruflich führte ihr Weg sie zunächst von Kolumbien in die USA. In Boston arbeitete sie als Therapeutin für Menschen mit Migrationsgeschichte. „Darunter waren viele Frauen aus Mexiko, Guatemala und Nicaragua. Auch mit Frauen, die im Gefängnis waren, habe ich gearbeitet“, sagt sie. Anschließend ging es über den Atlantik nach Europa. In Madrid arbeitete sie erneut mit Frauen, die nach Spanien gekommen waren und etwa als Prostituierte oder als Haushaltshilfen arbeiteten. „Auch hier war die Beziehungsarbeit sehr wichtig“, sagt sie. Nach einem kurzen, vier Monate dauernden Einsatz für eine Hilfsorganisation in Namibia, kam sie schließlich nach Deutschland. 13 Jahre ist das nun her. Und sie ist geblieben.
Vorbereitung auf den Auslandseinsatz
In Mannheim half sie Frauen aus dem Irak beim Arbeitseinstieg, ehrenamtlich. Schließlich machte sie sich selbstständig. Ihr Steckenpferd ist interkulturelles Training. „Ich gebe bundesweit Seminare und bereite deutsche Fachkräfte auf ihren Einsatz im Ausland vor“, erklärt Ulloa. Sie weiß, wie Deutsche und andere Kulturen ticken. „Dadurch habe ich einen großen Blick, weil ich beide Seiten kenne.“ Und so schult sie auch afghanische Diplomaten und hat als Dozentin an der Hochschule für Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg das Fach „Interkulturelle Kompetenzen“ konzipiert. Und dann ist da ja noch das Mentoring-Programm.
Wenn Ulloa von ihren Aufgaben berichtet, macht es den Anschein, als habe ihre Woche mehr als sieben Tage. Bei dem Gedanken muss sie lachen und sagt: „Ich habe ein tolles Team.“ Für das Mentoring-Programm sei ihre Anwesenheit eher punktuell gefragt. Ohne die drei Träger und die mehr als 100 Mentoren, die sie bislang vermittelt hat, sei ihre Arbeit gar nicht möglich. Wichtig sei ihr, dass sie keine Endstation, sondern eine Haltestelle für die Menschen ist. „Ich selbst bin durch die Arbeit angekommen.“