Der Marktführer Samsung hat 2014 im Smartphone-Geschäft drastisch an Marktanteilen verloren. Der Firmenchef kränkelt, sein Sohn ist als Nachfolger noch nicht inthronisiert – und die Konkurrenz holt auf.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Die Smartphone-Generationen auf dem Weltmarkt wechseln im Eiltempo. Doch an der obersten Führungsspitze des südkoreanischen Milliardenkonzerns Samsung gibt es keine Bewegung – obwohl das Geschäft mit den Mobilgeräten zurzeit in einer tiefen Krise steckt. Drei Quartale hintereinander musste der Konzern rückläufige Marktanteile vermelden. Der Gewinn hat sich mehr als halbiert. Vom Flaggschiffmodell Galaxy S5 wurden 40 Prozent weniger Geräte verkauft als erwartet. Der Anteil an den globalen Smartphoneverkäufen rutschte laut dem US-Analyseunternehmen IDC von 32,2 Prozent im dritten Quartal 2013 auf 23,7 Prozent im selben Zeitraum 2014 ab.

 

Frei nach dem Lebensmotto des ewigen britischen Kronprinzen Charles ist auch bei Samsung der potenzielle, junge Chef seit Jahren im Wartestand. Schon lange gilt es als ausgemacht, dass der 72-jährige Lee Kun-hee bald das Zepter an seinen 46-jährigen Sohn Lee Jae-yong weitergibt, der seit 2012 Vizechef der Elektroniksparte Samsung Electronics ist. Seit einem Herzinfarkt im Mai ist der Patriarch schwer angeschlagen. Jüngste Umbauten innerhalb der Konzernstruktur gelten als Indiz dafür, dass der Wechsel bald bevorstehen könnte. Doch noch sind von Lee Jae-yong pflichtschuldige Respektbezeugungen zu hören: „Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich die Nachfolge nicht als Last empfinde, aber ich hatte gute Eltern und ausgezeichnete Vorgesetzte.“

Es gibt Bauernopfer – doch der Smartphone-Chef bleibt

Auf die miserablen Zahlen aus dem Smartphonegeschäft reagiert der Konzern bisher mit Bauernopfern. Ein Viertel der Managementpositionen im Smartphonebereich steht angeblich auf der Kippe. Doch der vom „Wall Street Journal“ schon als Abschusskandidat genannte Chef der Mobilfunksparte, Shin Jong-kyun, soll bleiben.

Dem seit 2009 amtierenden Shin ist der phänomenale Aufstieg des koreanischen Mischkonzerns im Bereich der Mobilgeräte zu verdanken, der unter anderem auch im Schiffsbau, der Bau- und Chemiebranche oder im Kreditkartengeschäft tätig ist. Quasi aus dem Nichts rollten die Südkoreaner den Markt auf: Von Anfang 2010 bis Ende 2013 stieg Samsungs weltweiter Marktanteil von weniger als sechs Prozent auf ein Drittel. Doch seither geht es bergab. Samsung ist zwar immer noch mit Abstand der Marktführer und verkauft mehr als doppelt so viele Smartphones wie der Zweitplatzierte Apple. Doch man hat es inzwischen mit einem Rudel an Verfolgern zu tun.

Hersteller wie die erst 2010 gegründete chinesische Firma Xiaomi, das ebenfalls aus China stammende Lenovo oder der koreanische Konkurrent LG haben inzwischen einen globalen Marktanteil von jeweils mehr als fünf Prozent. Diese drei Verfolger, zu denen auch noch der chinesische Anbieter Huawei zu zählen ist, verkaufen zusammen schon mehr als Apple. Der Absturz von Nokia muss den Koreanern als mahnendes Beispiel dienen. Von mehr als 50 Prozent Marktanteil bei Smartphones im Jahr 2007 war Nokia zum Zeitpunkt der Übernahme durch Microsoft im Sommer 2013 auf drei Prozent geschrumpft.

Was einst den schnellen Aufstieg ermöglichte, wird Samsung nun zum Verhängnis. Bisher stützten sich die Koreaner auf das Google-Betriebssystem Android. Doch die ebenfalls auf Android basierenden Modelle der Konkurrenz bieten inzwischen die gleichen Funktionalitäten und dieselbe Qualität wie Samsung zu einem deutlich günstigeren Preis. Und da auch die Nutzerführung auf dem Gerät ähnlich und der Zugang zu den Apps derselbe ist, sind die Kunden bei diesem Betriebssystem gegenüber ihrer Marke auch deutlich weniger loyal als die Premium-Preise bezahlenden Apple-Jünger. Die Koreaner haben ihre Produkte bisher mit einem großen Marketingaufwand auf den Markt gedrückt. Doch ein unverwechselbares Image hat die Marke nicht, weder beim Design noch bei den Funktionen. Die Zahl der unterschiedlichen Modelle will Samsung im kommenden Jahr reduzieren.

Das Betriebssystem Tizen startet mit Verzögerung

Das von Samsung lange angekündigte, selbst entwickelte Betriebssystem Tizen kommt hingegen nur mühsam aus den Startlöchern. Anfang des Jahres ist die große japanische Telefongesellschaft NTT Docomo als Partner abgesprungen. Die Premiere eines für Russland angekündigten Tizen-Modells wurde mehrfach verschoben. Mitte Dezember soll es nun endlich das erste Tizen-Smartphone namens Z1 vorgestellt werden. Zunächst wird es aber nur auf dem indischen Markt angeboten.

Mit diesem Smartphone will Samsung nun endlich wieder im unteren und mittleren Preisspektrum den billigeren, vor allem aus China stammenden Konkurrenten Paroli bieten. Auf den Märkten der Schwellenländer, wo die Kunden vor allem auf den Preis blicken, ist in den kommenden Jahren das meiste Wachstum zu erwarten.

Doch die schwelende Führungskrise bei Samsung ist ein zentraler Teil des Problems. Falls Lee Jae-yong tatsächlich aufrücken sollte, bliebe der Konzern in der dritten Generation in der Hand der Gründerfamilie. Zwar werden die Mitarbeiter zu Höchstleistungen gepeitscht, aber Samsung pflegt keine Kultur, in der man Fehler machen kann, was als Schlüssel zu Innovationen gilt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Südkorea als innovativer Standort gilt und der Samsung-Chef einen kulturellen Wandel ausgerufen hat. Und so war eine Reaktion auf die Krise auch ein typisch koreanischer Bußgang: 200 Spitzenmanager gelobten, noch härter zu arbeiten.