Für Karin Glück ist industriell gefertigte Standardware ein rotes Tuch. Sie schneidert jeder Kundin ein individuelles Strand-Outfit auf den Leib.

Serie - Urlaub macht Karin Glück so gut wie nie. Schon gar nicht im Sommer. Denn wenn andere sich in der Sonne rekeln, herrscht bei der 53-Jährigen Hochkonjunktur. Sie sorgt dafür, dass die Badenixen an fernen Sandstränden auch leicht bekleidet eine gute Figur machen: mit maßgeschneiderten Bikinis, die direkt in ihrem Laden in der Ludwigsburger Innenstadt genäht werden.

 

Dort schwimmt Karin Glück geradezu in Badekleidung in allen erdenklichen Farben und Formen. Allein auf dem Auslagetisch, der den kleinen Laden dominiert, liegen mehr als 50 verschiedene Modelle. Vom Zweiteiler im Leopardenlook über Höschen mit Spitzenbordüre bis hin zu klassischen einfarbigen Kombinationen ist hier alles zu sehen. Zusätzlich hängen auf Stangen an der Wand noch zig weitere Varianten des knappen Badekostüms. Im nur sporadisch abgetrennten Nebenraum ist auch die Quelle der Bikiniflut auszumachen: Umgeben von Stoffproben und Modellversionen stehen zwei Nähmaschinen, an denen augenscheinlich regelmäßig gearbeitet wird.

Das Hobby wird zum Beruf – und der Beruf zum Hobby

„Wir produzieren alles selbst direkt hier vor Ort“, erklärt Karin Glück. Die ausgebildete Sportlehrerin hat sich das Nähen selbst beigebracht. „Ich hatte schon immer zwei große Begabungen: Sport und Mode“, sagt sie. Nachdem sie 19 Jahre lang ein Fitness-Studio in Ludwigsburg betrieben hatte, machte sie im Jahr 2000 ihr Hobby zum Beruf – und den Beruf zum Hobby. Statt des Sports steht nun die Mode im Mittelpunkt ihrer Arbeit, trainiert wird jetzt in der Freizeit.

Ganz so radikal, wie es scheinen mag, sei der Wechsel aber nicht. Schon als Aerobic-Trainerin habe sie die Trikots für Tanzshows oft selbst geschneidert, erzählt Karin Glück. An die Arbeit mit „superelastischen“ und damit für den Schneider superschwierigen Stoffe sei sie deshalb gewöhnt. Trotzdem arbeiten einige Näherinnen für die Geschäftsinhaberin, damit alle Aufträge erledigt werden können. Wie viele Bikinis pro Monat im Schnitt über die Ladentheke gehen, will Glück zwar nicht verraten. Aber klar sei, dass möglichst jedes Stück aus ihrer Produktion ganz individuell angefertigt werde.

Knappe Stöffchen oder breite Bündchen

Denn Standardware ist für die Modeliebhaberin ein rotes Tuch. Schließlich kenne wohl jede Frau die Bikini-Problematik: Passt das Oberteil, dann sitzt die Hose nicht – oder umgekehrt. Hinzu komme, dass manche ein knappes Stöffchen bevorzugten, während andere mit einem höheren Bund oder einem breiteren Träger einen Leberfleck oder eine Narbe verstecken wollten. Ganz spezielle Anfertigungen braucht es, wenn Kleinwüchsige oder Zwei-Meter-Frauen zu ihr kommen, die durchaus auch zu ihren Kundinnen zählen. „Unser Bestreben ist, jeder Frau den perfekten Bikini zu bieten“, sagt die Ladeninhaberin. Deshalb könne die Beratung durchaus mal zwei Stunden dauern. Schließlich sei es gerade beim Bikini enorm wichtig, dass er genau passt. Weil dieser im Regelfall das einzige Kleidungsstück am Körper sei, könne man nichts kaschieren.

Eine Größenangabe suchen die Kundinnen allerdings vergebens auf der Bademode: „Wir kennen alle Modelle auswendig“, sagt Karin Glück über sich und ihre Mitarbeiterin. Ohnehin sei das mit den Größen so eine Sache bei Frauen: „Es haben sowieso alle Körbchengröße 75 B und Konfektionsgröße M, wenn man sie fragt“, sagt Glück mit einem Augenzwinkern. An einem Bikini in XXL würde deshalb jede achtlos vorbeigehen. Zudem sei ihre Ware so individuell gefertigt, dass die Einheitsgrößen der Industrie gar nicht aussagekräftig seien. „Ich kann eine Hose ja schlecht als M plus zwei Zentimeter mehr am Bund deklarieren“, erklärt Glück. Ein ganz persönliches Lieblingsmodell hat die Bikiniqueen nicht: „Ich liebe sie alle“, schwärmt sie.

Bikinis machen Werbung im Ausland

Das dürfte auch einen geschäftlichen Grund haben. Denn laut der Ladeninhaberin machen ihre Bikinis ordentlich Werbung im Ausland: „Zu mir kommen Leute aus ganz Deutschland, die im Urlaub Kundinnen von mir kennengelernt haben und gefragt haben, wo die ihren Bikini her haben“, erzählt Karin Glück. So würden ihre Fabrikate inzwischen nicht nur im Großraum Stuttgart getragen, sondern auch Köln, Frankfurt und Berlin. Nur sie selbst habe kaum Zeit, die Bademode anzuziehen, die sie sich selbst auf den Leib geschneidert hat. „Aber ich freue mich, wenn meine Bikinis einen schönen Urlaub verbringen“, scherzt die Geschäftsfrau.