Vom liebeskranken Tölpel zum ausgemergelten HIV-Patienten: der Hollywoodschauspieler Matthew McConaughey kehrt dem seichten Genre den Rücken. Er dreht jetzt lieber ernste Filme – und ist präsent wie nie.

Stuttgart/Hollywood - Freunde einfacher Unterhaltung und vorhersehbarer Handlung wissen: Matthew McConaughey ist ein Garant für nette Romantikkomödien, nach dem Schema: ungeschickter, arroganter oder „nerdiger“ Mann verprellt unwissend die Frau seines Lebens, läuft ihr rührend tölpelhaft hinterher, sie ziert sich ein bisschen, aber am Ende kriegt er sie doch – Happy End inklusive.

 

Matthew McConaughey war für solche Filme stets die perfekte Besetzung, ob in „Wedding Planner“, „Wie werde ich ihn los in zehn Tagen“, „Zum Ausziehen verführt“, „Ein Schatz zum Verlieben“ oder „Der Womanizer – Die Nacht der Exfreundinnen“. Blonde Locken, blaue Augen, weiße Zähne, Grinsen mit Grübchen: dem 42-jährigen Texaner fliegen die Frauenherzen auf und vor der Leinwand zu.

Der alternde Stripper ist der Running Gag des Films

Dass der Rest auch nicht so übel ist, davon können die Fans sich in diesen Tagen im Film „Magic Mike“ überzeugen. McConaughey spielt Dallas, einen alternden, schmierigen Ex-Stripper, der mit seiner kleinen Show und den dazugehörigen Jungs expandieren möchte, um das große Geld zu machen. Dallas hat sein Bühnenverfallsdatum bereits überschritten. Seine Aufgabe ist es, in engen Lederhosen und Cowboyhut den Zuschauerinnen einzuheizen und wie eine Puffmutter seine Stripper anzukündigen.

Dallas ist der Running Gag des Films. In den unmöglichsten Outfits, aber ausgestattet mit einem riesigen Ego, tanzt, springt, hüpft er über die Bühne, die Locken kringeln sich fettig im Nacken, und er wirkt immer etwas ungewaschen. Natürlich zieht Dallas blank. „Es war nicht im Skript, aber Soderbergh sagte, ich könnte am Ende strippen, wenn es passt“, hat Matthew McConaughey erzählt. „Ich hätte es für den Rest meines Lebens bereut, in diesem Film mitzuspielen, ohne mich nackt gemacht zu haben.“

Mal Anwalt, mal Auftragsmörder

McConaughey ist so präsent wie noch nie – und das ist keine Anspielung auf die körperlich freizügige Rolle als Dallas. Er hat im vergangenen Jahr neben „Magic Mike“ vier weitere Filme abgedreht. In „Mud“ und „The Paperboy“ spielt er gebrochene, gehetzte, gejagte Männer am Rande der Gesellschaft. Zwar gewannen die Filme in Cannes keine Goldene Palme, aber sie wurden eifrig besprochen, auch wegen der ungewöhnlichen Besetzung. McConaughey dringt hier in neue Genres vor. Auf „Killer Joe“, in dem er einen Auftragsmörder spielt, freuen sich viele Horror- und Thriller-Fans. Regie führte William Friedkin, der 1973 mit dem „Exorzisten“ das große Vorbild aller Besessenheitsfilme drehte.

In der humorvollen, aber morbiden Tragödie „Bernie“ mimt McConaughey, der im wahren Leben kurz vor seinen finalen Prüfungen den Juristenberuf zu Gunsten der Schauspielerei aufgab, mal wieder den Anwalt. Die Rolle des arroganten, kaltschnäuzigen Juristen hatte dem jungen Schauspieler 1996 in der Grisham-Verfilmung „Die Jury“ zum Durchbruch verholfen. Und es war ebenfalls eine Anwaltsrolle, mit der McConaughey 2011 im Thriller „Der Mandant“ gezeigt hat, dass er mehr kann als schön zu lächeln.

Anfang August hat McConaughey seine Fans mit Fotos verstört, auf denen er statt mit Waschbrettbauch nur noch mit Haut und Knochen zu sehen war. Der Grund sind, natürlich, Dreharbeiten für einen neuen Film. In „The Dallas Buyer’s Club“, der wohl 2014 ins Kino kommt, spielt McConaughey einen HIV-infizierten Cowboy, für dessen Rolle er 15 Kilo abgenommen haben soll.

Die besseren Rollen hat er sich aufgehoben

Jetzt ist also Schluss mit lustig. Zumindest mit romantisch-lustig. Mit 42 Jahren hat sich Matthew McConaughey entschieden, seine Karriere „etwas aufzumischen“. „Ich habe nach Charakteren gesucht, die sich nicht unbedingt den Konventionen unterwerfen. Oder der Handlung,“ sagte er der „Huffington Post“.

Seine Rollen in seichten Filmen haben ihn berühmt gemacht und brachten Geld. Nun wendet er sich prestigeträchtigen Projekten zu. Der Nachrichtenagentur dpa erklärte er seinen Sinneswandel so: „Ich hatte das Gefühl, dass ich mir einige Rollen besser für später aufhebe. Ich sagte mir: Nimm dir Zeit, widme dich deiner Familie, werde nicht ungeduldig und halte die Augen offen.“ Gesagt, getan: im Juni hat McConaughey seine langjährige Freundin, das brasilianische Model Camila Alves, geheiratet. Die beiden haben einen vierjährigen Sohn und eine zweijährige Tochter. Nun ist das dritte Kind unterwegs, ein halbes Dutzend Filme im Kasten. „Das Warten hat sich gelohnt“, sagt er selbst. Der Mann, der 2005 von Magazin „People“ zum „Sexiest Man alive“ gewählt wurde, ist jetzt, sieben Jahre später, sehr zufrieden mit sich und seiner Karriere: „Meine Arbeit erfüllt mich mehr denn je. Ich hoffe, das geht so weiter“.

Ein Mann – fünf Filme

„Magic Mike“
: David Soderberghs Film „Magic Mike“ läuft gerade in den deutschen Kinos und könnte der Sommerhit werden. In Amerika spielte er bereits mehr als 100 Millionen Dollar ein – bei einem schmalen Budget von sieben Millionen. Neben McConaughey ist Channing Tatum als Stripper zu sehen.

„Bernie“:
Der Protagonist Bernie (Jack Black) ist ein kleiner Bestatter, den in seiner texanischen Kleinstadt alle lieben. Seltsamerweise befreundet er sich mit einer misanthropischen, reichen Witwe. Und bringt sie um. Nicht so schlimm, finden die Anwohner. Lediglich der Anwalt Davidson (McConaughey, wieder mit Cowboyhut) ermittelt. Richard Linklaters Film beruht auf einer wahren Begebenheit. Kinostart: noch unklar.

„The Paperboy“:
In Lee Daniels’ Film mimt McConaughey einen heimlich schwulen Journalisten, der im Florida der sechziger Jahre von einer trashigen Friseurin (Nicole Kidman) angeheuert wird, um einen inhaftierten Mörder (John Cusack) zu befreien. Kinostart: Oktober.

„Mud“:
Die neue Produktion von Jeff Nichols ist ein Liebesfilm mit starken Einflüssen von Mark Twain. McConaughey spielt einen Mann auf der Flucht. Kinostart: offen.

„Killer Joe“:
In William Friedkins Neo-Noir-Film gibt McConaughey den psychotischen Polizisten Joe, der nebenberuflich Leute für Geld umlegt. Chris (Emile Hirsch) heuert Joe an, seine Mutter zu töten, um an deren Lebensversicherung zu kommen. Der Film läuft am 30. August auf dem Stuttgarter Fantasy-Filmfest im Metropol.