Ein Verbot des Erwerbs von Natrium-Pentobarbital würde nur Sterbehilfevereinen helfen, sagt der Münchner Medizinethiker Georg Marckmann. Im Interview erklärt er, warum ein rechtlicher Rahmen für assistierten Suizid so schwer zu finden ist.

Einem Sterbewilligen ein tödliches Mittel zu reichen, das er selbst zu sich nimmt, ist nicht verboten. Allerdings gibt es dabei noch offene Rechtsfragen, mit denen sich nun das Bundesverfassungsgericht in Leipzig beschäftigt. Der Münchener Medizinethiker Georg Marckmann erklärt die Hintergründe.

 

Herr Marckmann, was macht die Findung einer gesetzlichen Regelung für den assistierten Suizid so schwierig?

Zum einen geht es um die Voraussetzungen, unter denen jemand eine Suizidassistenz in Anspruch nehmen kann. Die Person muss zum Beispiel entscheidungsfähig und gut informiert über alle Handlungsalternativen sein. Dann braucht es eine Regelung, wer diese Entscheidungsfähigkeit dann überprüft und wer die Beratung durchführen kann. Darauf bezogen sich schon zwei Gesetzesentwürfe, die aber im Bundestag nicht verabschiedet werden konnten. Zum anderen ist rechtlich zu klären, wie die Person an die tödliche Dosierung des Medikaments Natrium-Pentobarbital gelangen kann. Das ist gerade Gegenstand des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht.

Kann es überhaupt eine Rechtssicherheit für alle Beteiligten geben?

Es gibt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 relativ klare Vorgaben unter welchen Voraussetzungen eine Suizidassistenz geleistet werden darf. Insofern ist es möglich, rechtssicher einen begleiteten Suizid zu machen. Dies wird etwa von Sterbehilfeorganisationen praktiziert. Allerdings kann der Suizid bislang nicht mit Natrium-Pentobarbital erfolgen, sondern nur mit anderen Medikamenten.

Angenommen, das Gericht lehnt den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ab. Was wären die Folgen?

Ein solches Urteil würde die Möglichkeiten, einen assistierten Suizid zu begehen, erheblich einschränken und dazu führen, dass die Menschen sich vermehrt an die Sterbehilfevereine in Deutschland wenden. Die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung w könnte dann das Standardmodell werden.

Wie groß wäre das Missbrauchspotenzial, sollten die Richter den Zugang zu Natrium-Pentobarbital erleichtern?

Ich halte das Missbrauchspotenzial für nicht so groß, sofern klar ist, unter welchen Bedingungen das Medikament abgegeben wird. Daher erachte ich es als wichtig, dass das Medikament nicht direkt aus der Apotheke an die betroffenen Personen abgegeben wird. Die Abgabe sollte immer im Rahmen einer entsprechend kompetente Beratung erfolgen. In dieser muss festgestellt werden, ob die betroffene Person frei verantwortlich entscheiden kann. Und sie muss über alle Handlungsalternativen informiert werden, die es zum assistierten Suizid gibt.

Hilfe für Betroffene

Erste Hilfe
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