Nach der Diagnose Prostatakrebs wissen viele Betroffene nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Neue Studien sehen den Nutzen von Operationen kritisch. Doch auch andere Therapien bergen Risiken.

Stuttgart - Ein Krebs in der Vorsteherdrüse, der Prostata, ist nach den jüngsten Leitlinien zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms die häufigste Tumorart bei Männern: Er ist für 25,4 Prozent aller bei ihnen diagnostizierten Krebserkrankungen verantwortlich, wobei jährlich rund 58 000 Männer neu daran erkranken. Auch wenn viele Prostatatumoren wenig aggressiv verlaufen, so ist diese Erkrankung doch für rund zehn Prozent der männlichen Krebs-Todesfälle verantwortlich. Betroffen sind fast durchweg ältere Männer: Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 69 Jahren. Allerdings kann der Krebs auch deutlich früher zuschlagen.

 

Die gängigste Methode, diesen Krebs zu bekämpfen, ist nach wie vor die operative Entfernung der Vorsteherdrüse, die „radikale Prostataektomie“. Sie wird in jedem zweiten Fall vorgenommen. Doch die Nebenwirkungen sind oft gravierend. Einer soeben veröffentlichten Studie der Krankenkasse Barmer GEK zufolge klagen 70 Prozent der so operierten Patienten über Erektionsprobleme, 53 Prozent über sexuelles Desinteresse und rund 16 Prozent über Harninkontinenz. Hinzu kommen bei 20 Prozent vorübergehende Komplikationen durch die Operation wie Blutungen und Darmverletzungen. So verwundert es nicht, dass 41 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Patienten nur eingeschränkt zufrieden und sieben Prozent unzufrieden waren. Selbst wenn etwas mehr als die Hälfte der Patienten zufrieden war, so ist dies doch ein bemerkenswert schlechtes Ergebnis.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, eine operative Entfernung der Prostata wirklich gründlich zu überlegen – und gegebenenfalls darauf zu verzichten. Diese kritische Haltung wird durch eine ebenfalls dieser Tage im Fachblatt „New England Journal of Medicine“veröffentlichte Studie amerikanischer Ärzte unterstützt. Demnach gab es in einer Zehnjahresfrist keinen signifikanten Unterschied, ob Männer nur beobachtet wurden oder ob ihnen die Prostata herausoperierte wurde, nachdem ein Karzinom durch einen Vorsorgetest – den sogenannten PSA-Test – entdeckt worden war. Bei dieser Untersuchung wird im Blut nach einem speziellen Eiweiß gefahndet, dem Prostataspezifischen Antigen (PSA).

Die von Timothy Wilt und seinen Kollegen von der amerikanischen Prostatakrebs-Studiengruppe Pivot jetzt vorgelegten Untersuchungsergebnisse heizen die Diskussion um Nutzen und Aussagekraft des PSA-Test erneut an. Heftig umstritten ist er schon lange. Die Leitlinien zum Prostatakarzinom tragen dem Rechnung. Dort ist festgehalten, dass der Anteil von nachgewiesenen Prostatakarzinomen in Screeninggruppen – also bei PSA-getesteten Männern – zwar signifikant höher als in Beobachtungsgruppen ist, dass aber andererseits ein Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit nicht nachgewiesen ist. Daher werden die Kosten für den Test in der Regel nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, sondern er muss vom Patienten als sogenannte Igel-Leistung selbst finanziert werden. Übernommen wird dagegen bei Männern über 45 Jahren ein jährliches Abtasten der Prostata über den Darm.