Jährlich sterben fast 30.000 Menschen an der Krankheit. Besonders bei älteren Menschen ist eine Infektion oft schwer zu erkennen und zu behandeln.

Stuttgart - Der Patient fühlt sich von einem Tag auf den anderen unwohl, hat Fieber und Schmerzen vom Schulterblatt bis zum Nierenbereich, Schüttelfrost mit Zähneklappern, Husten und massive Probleme, Luft einzuatmen. Wegen der starken Atemnot begibt er sich in fachkundige Behandlung – ein Glück für ihn, denn wären diese Symptome nicht so ausgeprägt gewesen, hätte er das Ganze vielleicht als grippalen Infekt angesehen und wäre nicht zum Arzt gegangen. Womöglich würde auch dieser auf einen grippalen Infekt schließen – wäre da nicht die starke Atemnot. „Lungenentzündungen sind keine harmlosen Atemwegsinfektionen. Sie können tödlich verlaufen, werden aber leider völlig unterschätzt“, warnt Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

 

Stationär werden jährlich 230 000 Lungenentzündungen (Pneumonien) behandelt, zwölf Prozent davon verlaufen tödlich. Weitere rund 570 000 Patienten werden pro Jahr zu Hause behandelt, wie das bundesweit tätige Kompetenznetz Capnetz berichtet (Cap steht für Community Acquired Pneumonia – ambulant erworbene Lungenentzündung). „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, Lungenentzündungen sind eine der großen Volkskrankheiten. Auch wenn sie als solche von der Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen werden“, sagt Welte.

Bei älteren Menschen ist die Diagnose oft schwierig

Und diese Volkskrankheit hängt klar vom Alter ab – und ist dann oft noch schwieriger zu erkennen: „Bei älteren Menschen darf man die Diagnose Lungenentzündung nicht am Vorhandensein von hohem Fieber festmachen. Ihr Immunsystem ist bereits so geschwächt, dass Fieber erzeugende Immunreaktionen ausbleiben. Eine Lungenentzündung kann trotzdem vorliegen“, gibt Welte zu bedenken. Wird die Lungenentzündung zu spät erkannt, füllen sich die entzündeten Lungenareale immer mehr mit Flüssigkeit. Da zu wenig Sauerstoff über die Lungenbläschen aufgenommen wird, erhöhen sich Atemfrequenz und Pulsschlag. Beides kann der Arzt leicht und schnell kontrollieren. Oder die Bakterien treten aus den entzündeten Lungenbereichen aus und breiten sich über die Blutbahn auf den ganzen Körper aus. Es kommt zur Blutvergiftung (Sepsis) und im schlimmsten Fall zu Multiorganversagen.

Die meisten Lungenentzündungen sind durch Bakterien, allen voran Pneumokokken, verursacht. Sie werden durch Tröpfcheninfektion beziehungsweise Husten oder Niesen übertragen. Atypische Erreger sind unter anderem Chlamydien und Legionellen. Besonders gefürchtet sind im Krankenhaus erworbene Lungenentzündungen, weil diese oft durch Bakterien verursacht werden, die Resistenzen gegen mehrere Antibiotika aufweisen.

Können Viren Lungenentzündung verursachen?

Inwieweit auch Viren wie das Influenzavirus eine Lungenentzündung verursachen können, ist strittig. „Es sieht ganz danach aus, dass Viren nicht selbst die Entzündung bedingen, aber quasi als Katalysator wirken, also eine bakterielle Lungenentzündung begünstigen“, so Welte. Wer zum Arzt geht, wird beim Verdacht auf Lungenentzündung abgehört. „Hier kann man nur sagen ,Nice to have‘, aber für die Diagnose reicht das nicht. Auch ein Abstrich ist nicht genug. Wichtig wäre es, die Atemfrequenz zu messen, eine höchst simple Aktion, die aber von vielen Hausärzten nicht mehr durchgeführt wird.“

Wie lässt sich nun eine eindeutige Diagnose stellen? „Eine Lungenentzündung kann nur durch ein im Röntgenbild sichtbares Infiltrat in Kombination mit eindeutigen Symptomen nachgewiesen werden. Zugleich ist es möglich, eine Lungenkrebserkrankung damit auszuschließen“, sagt der Lungenexperte. Doch ein Röntgenbild wird mitunter gar nicht angefertigt. Das hängt manchmal davon ab, ob sich die Röntgenpraxis im gleichen Gebäude befindet oder außerhalb – insbesondere bei alten Menschen, die auf die Hilfe von Familienangehörigen angewiesen sind.

Bei Lungentzündung sind Antibiotika unerlässlich

Steht die Diagnose, dann wird der Arzt ein Antibiotikum verschreiben. „Bei einer Lungenentzündung ist es tatsächlich nötig, ein Antibiotikum einzunehmen, weil generell davon auszugehen ist, dass auch Bakterien beteiligt sind. Hier darf man nicht sparen“, sagt Welte. Aber an anderer Stelle sollten Ärzte beim Verschreiben von Antibiotika zurückhaltender sein – auch dann, wenn die Patienten gerne das entsprechende Rezept hätten. „Erkältungen sind zu 99 Prozent viral bedingt und werden trotzdem oft antibiotisch behandelt. Angesichts zunehmender Resistenzen und ausbleibender neuer Antibiotika schaufeln wir uns so das eigene Grab“, warnt der Mediziner.

Reicht eine Antibiotikabehandlung nicht mehr, sollte der Patient in die Klinik. Um diese Notwendigkeit einigermaßen objektiv zu ermitteln, gibt es einen Score, den CRB-65-Score. Dabei steht C für Verwirrtheit, R für eine erhöhte Atemfrequenz und B für einen niedrigen Blutdruck und 65 für das Alter. Wer älter als 65 Jahre alt ist und eines der Kriterien C, B oder R erfüllt, sollte laut Welte ins Krankenhaus. Wer jünger ist und eines der Kriterien erfüllt sowie gleichzeitig wesentliche Begleiterkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Lungen, der Nieren, ein Tumorleiden, Leberzirrhose oder eine chronisch neurologische Erkrankung, etwa nach einem Schlaganfall hat, sollte ebenfalls ins Krankenhaus. Bei konsequenter Therapie heilt die Lungenentzündung wieder aus, „aber“, so Welte, „es kann immer Narbengewebe in der Lunge zurückbleiben“.

Neben diesen infektiösen Lungenentzündungen, gibt es noch eine andere Art von „Lungenentzündungen“, die durch Pilze, Staub, giftige Gase oder eingeatmete Fremdkörper verursacht werden. „Normalerweise meinen wir bei dem Begriff Lungenentzündung stets durch Infektion bedingte Entzündungen“, stellt Welte klar. Und bei diesen „echten Lungenentzündungen“ findet er es ziemlich traurig, dass das Thema totgeschwiegen wird, obgleich es sich um eine potenziell tödliche Infektionskrankheit handelt.

Impfung und Lungenentzündung

Empfehlung Wie die Grippe- Impfung wird auch die Pneumokokken-Impfung von der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut allen Risikopatienten empfohlen und von den Krankenkassen bezahlt. Geimpft wird mit dem sogenannten Polysaccharid-Impfstoff oder einem Pneumokokkenkonjugat-Impfstoff.

Risikogruppen
Zu den besonders gefährdeten Patienten gehören Kinder ab dem zweiten Lebensmonat bis zum zweiten Lebensjahr sowie Menschen ab 60 Jahren. Darüber hinaus wird die Impfung Personen empfohlen, deren Immunsystem geschwächt ist oder die an Diabetes oder chronischen Herz- oder Lungenerkrankungen leiden. Auch Leber- oder Nierenkrankheiten sowie Erkrankungen des Nervensystems gelten als Risikofaktoren. Darüber hinaus sind auch Patienten mit Knochenmark- und Milzkrankheiten sowie Menschen ohne Milz stark gefährdet.

Zeiträume Die Grippe-Impfung muss aufgrund der stetigen Veränderung der Viren jährlich wiederholt werden. Im Hinblick auf die Pneumokokken-Impfung herrscht zurzeit eine gewisse Unsicherheit im Hinblick auf Auffrischungsimpfungen. Während diese für spezielle Risikogruppen – beispielsweise nach einer Entfernung der Milz – empfohlen wird, gibt es bei anderen Indikationen zurzeit keine generelle Empfehlung für eine erneute Impfung.