Nach 14 Jahren und vielen tausend freiwillig geleisteter Arbeitsstunden erlebt die „Meersburg ex Konstanz“ ihre zweite Jungfernfahrt.

Konstanz - Es wird ein erhebender Moment für Gernot Widmer werden. Ein Augenblick, den er sich viele Male herbeigewünscht hat. Aber auch ein Datum, das er fürchten gelernt hat. „Ich weiß, ich muss loslassen“, sagt der 70-Jährige. Doch er weiß auch: das Abnabeln fällt ihm schwer.

 

Am Samstag fährt die „Meersburg ex Konstanz“, die erste Autofähre auf dem Bodensee, aus dem Jahr 1928 vom Fährehafen Staad zu ihrer zweiten Jungfernfahrt aus. Am 21. Oktober 1963 war sie in Dienst gestellt worden. Fast 48 Jahre später kehrt sie heim. 35 Jahre hatte das sie als schwimmende Brücke zwischen den Bodenseestädten Konstanz und Meersburg gedient. Als erste Automobilfähre auf einem europäischen Binnensee war sie unter dem Jubel einer großen Menge in den Fährhafen Konstanz eingefahren. Am 30. September 1928 hatte das zunächst auf „Konstanz“ getaufte Schiff den regulären Betrieb aufgenommen. Gerade mal 32 Meter lang und neun Meter breit war das Boot. Doch schon am ersten Tag beförderte es zur Verwunderung der Öffentlichkeit 548 Passagiere und 57 Autos über den See. Als 1930 eine weitere Fähre fertiggestellt war, wurde ihr Name in „Meersburg“ geändert.

Heute vereint der Name wieder beide Städte. Eigentlich ist es ja Gernot Widmers Schiff. Er hatte den alten Kahn für eine Mark gekauft. Damals, als das Schiff abgewrackt im Hafen am Ostbahnhof von Überlingen lag. Weil er den Liegeplatz gleich daneben für sein Segelboot wollte, musste er sich darum kümmern. So war es ausgemacht. Einige Jahre war die Fähre noch als Lastkahn, Bagger- und Rammschiff genutzt worden. Entsprechend ramponiert sah sie aus. Eines der beiden Führerhäuschen und einer der Aufbauten für die Fahrgäste waren abgerissen worden. Weil es oft Öl verlor, sollte sie Anfang der 90er Jahre verschrottet werden. Soweit wollte es Gernot Widmer nicht kommen lassen.

 Das Schiff kam bei der Bodanwerft aufs Trockendock

Zusammen mit zehn Enthusiasten gründete er 1993 den Verein „Meersburg ex Konstanz“ und setzte noch den Imperativ „Rettet!“ davor. Als Kapital brachte er die Fähre ein. Sonst hatte der Mann mit adeliger Abstammung und dem bürgerlichen Beruf des Heilpädagogen nichts weiter anzubieten. Nur den Willen, den Kahn wieder flott zu machen. Bereits 1992 hatte das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim in einem Gutachten empfohlen, die Fähre „auf Grund ihres historischen Stellenwertes für die Region und wegen ihres noch immer guten technischen Zustandes zu erhalten und wieder herzustellen.“ Dem neue Verein gelang es bereits 1994, die Verschrottung abzuwenden, in er dem die „Meersburg ex Konstanz“ als erstes und bisher einziges Schiff in Baden-Württemberg unter Denkmalschutz stellen ließ.

Das Schiff kam bei der Bodanwerft aufs Trockendock. Da merkten Widmer und seine Getreuen, auf was sie sich einlassen hatten. 30 Tonnen Dreck schafften sie weg, als sie die Fähre ausgebeint hatten. Und es kam ihnen vor, als hätten sie noch einmal ebenso viel Wasser herausgepumpt. Bald mussten sie mit ihrer Fähre den Platz in der Werft wieder räumen. Doch nach welchen Vorgaben sollten sie die Restaurierung vornehmen und vor allem wo? Wer würde ihnen Geld geben?

14 Jahre und viele tausend freiwillig geleisteter Arbeitsstunden

Das Glück hilft den Tüchtigen. Es fanden sich alte Pläne. Und 1996 bekam der Verein einen Platz unter der neuen Rheinbrücke in Konstanz als Behelfswerft zugewiesen. 14 Jahre und viele tausend freiwillig geleisteter Arbeitsstunden sollte es brauchen, bis das Werk im Mai 2010 vollbracht war. Auf 1,8 Millionen Euro summieren sich die Kosten, das meiste kam für die – freilich unentgeltlich geleisteten – 140.000 Arbeitsstunden der Handwerker und weiterer 10.000 Ingenieurstunden zusammen. Für Gernot Widmer ging mehr als ein mal ein kompletter Jahresurlaub drauf. Fast vier Dutzend Sponsoren brachten die finanziellen Mittel auf. Vom Landesdenkmalamte gab es einen Zuschuss von knapp einer halbe Million Euro.

Auch die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) in Konstanz ließen sich nicht groß bitten und investierten rund 350.000 Euro in die Renovierung des alten Fähreanlegers in Konstanz-Staad, der durch einen Glücksfall bei einer Werft eingelagert gewesen war. Die BSB stellen auch das Bordpersonal. Die „Meersburg ex Konstanz“ wird als achte Fähre der BSB wieder in Dienst gestellt. Künftig soll sie als Eventschiff im Hafen liegen oder auf auf dem Bodensee tuckern – für Familienferien, Betriebsausflüge oder als Ausflugsschiff für Radtouristen. Auch als Plattform für Konzerte, Theateraufführungen, Kleinkunst oder Lesungen sei das Schiff denkbar, freute sich BSB-Geschäftsführer Konrad Frommer.

Die frisch restaurierte Fähre kann am Samstag von 9.30 Uhr an im Hafen Staad besichtigt werden Kurz vor elf Uhr wird sei dann stilgerecht mit Oldtimern aus dem Jahr 1928 beladen – darunter einem Mercedes und ein Horch 400 sowie ein Ford-Kleinlaster. Um 12.15 Uhr soll die zweite Jungfernfahrt beginnen, begleitet von der derzeit modernsten Fähre „Lodi“ und der „Fritz Arnold“. Für Gernot Widmer wird es ganz besonderer Moment sein. „Ich werde mich daran gewöhnen müssen, dass ich fragen muss, wenn ich mal mitfahren will“, sagt er.