Stuttgarts Sozialminister Manfred Lucha freut sich über das Vorhaben, Mischformen von stationärer und ambulanter Pflege zu ermöglichen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist an heftigen Gegenwind von den Amtskollegen aus den Ländern durchaus gewöhnt. Vor allem im Kampf um die Krankenhausreform fühlen sich die Länder oft genug von ihm ausgebremst. Umso erstaunlicher und für Lauterbach wohltuender, wenn sich nun einer seiner Hauptgegenspieler mit einem ausdrücklichen Lob zu Wort meldet. Es geht um das vom Bundesminister geplante Gesetz, mit dem er Pflegekräfte künftig mit mehr Kompetenzen ausstatten will und es kommt von Baden-Württembergs grünem Sozialminister Manfred Lucha: Lucha sagte unserer Zeitung, er freue sich sehr, „dass der Bund endlich den Vorschlag zum ,stambulanten‘ Ansatz aus Baden-Württemberg, für den ich mich seit Langem einsetze, jetzt aufgreifen will“.

 

Mischform aus ambulant und stationär

Tatsächlich hat Lauterbach kürzlich angekündigt, dass er seinem Gesetz, mit dem er den Pflegeberuf erheblich aufwerten will, und für das er schon im Dezember Eckpunkte vorgelegt hatte, einen zweiten Teil anfügen will, in dem es eben um die „stambulante“ Versorgung von Pflegenden geht. Was ist das eigentlich? „Stambulant“ ist eine Zusammensetzung aus ambulant und stationär, es geht also um eine Mischform aus Pflege daheim und in einer Einrichtung. Sie soll den Menschen zugute kommen, die zwar nicht mehr allein zuhause leben können, aber noch nicht in ein Pflegeheim ziehen wollen. Gedacht ist an eine Mischform, ein Leben in einem privaten Wohnumfeld bei gleichzeitiger pflegerischer Versorgung rund um die Uhr. Solche Modelle, bei denen mit den zu Pflegenden ganz individuell Pflegemodule zusammengestellt werden könnten, sollen etwa im Umfeld von Seniorenresidenzen entstehen.

Pflege kann mehr als sie heute darf

Lucha hatte sich bereits in der vergangenen Wahlperiode an das Bundesgesundheitsministerium gewandt, um eine entsprechende Rechtsrundlage für das neue Modell zu erwirken. Bislang vergebens. Lucha sagte unserer Zeitung, es entspreche „dem Wunsch der Pflegebedürftigen und ihrer An- und Zugehörigen nach mehr Flexibilität und der Möglichkeit, sich auch selbst in die Versorgung einbringen zu können“. Er werde sich „im Gesetzgebungsverfahren dafür einsetzen, dass die Regelungen auch praxistauglich ausgestaltet werden, damit alle Betroffenen gleichermaßen partizipieren können.“

Der erste Teil des Gesetzes mit dem komplizierten Titel „Pflegekompetenz-Stärkungsgesetz“ steht für Lauterbach unter dem Leitgedanken, dass die Pflege bislang schon viel mehr könne als sie derzeit dürfe. Das Ziel des Gesetzes sei deshalb, dass Pflegekräfte „mehr selbstständig und ohne ärztliche Weisung entscheiden dürfen“. Künftig sollen Kräfte mit entsprechender (akademischer) Ausbildung nach den Vorstellungen des Ministers unter anderem eigenständig Pflegegrade für Langzeitpflegebedürftige vergeben. Examinierte Pflegekräfte sollen eigenverantwortlich Aufgaben übernehmen, die bislang Ärzten vorbehalten waren. Lauterbach nennt als Beispiele, die Versorgung von Diabetespatienten, von Wundheilungsstörungen oder von Demenzpatienten, aber auch den Einsatz bestimmter Salben und Katheter.

Mittel im Kampf gegen den drückenden Personalmangel

Wie weit die Kompetenzen genau reichen sollen, muss sich bis zur Erstellung des Referentenentwurfs klären, der noch vor der Sommerpause vorliegen soll. Zu klären sind auch noch Haftungsfragen. Die Ärzteschaft beobachtet die Kompetenzausweitung mit kritischem Blick, während in der Pflegewelt das Vorhaben auf sehr breite Zustimmung stößt. Bei der Vorlage der Eckpunkte im Dezember hatte sich die die Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, zu dem vorweihnachtlichen Lob verstanden, man sei durch Lauterbachs Projekt „beschenkt“ worden.