Die Grünen und die SPD haben sich mit SÖS/Linke-plus auf ein gemeinsames Vorgehen für weniger Autoverkehr im Stadtzentrum geeinigt. Ob noch ein Bürgerbegehren gebraucht wird, ist ungewiss.

Stuttgart - Die oberirdischen öffentlichen Parkplätze im Stadtkern sollen weg, dafür mehr attraktive Flächen zum Flanieren und Verweilen im Stadtzentrum entstehen. Ein entsprechender Eilantrag wird jetzt nicht mehr allein von den Grünen und der SPD im Gemeinderat vertreten, sondern in leicht geänderter Form auch von der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus und vom Einzelstadtrat der Stadtisten, Ralph Schertlen. Damit gibt es rechnerisch eine knappe Mehrheit im Gemeinderat. Noch vor den Sommerferien soll sie einen Grundsatzbeschluss fassen und darin auch festschreiben, dass es bereits im städtischen Doppelhaushalt 2018/2019 Geld für erste Maßnahmen gibt. Die weitere Umsetzung soll dann Zug um Zug geschehen.

 

Lieferverkehr soll in Schranken gewiesen werden

Die drei Fraktionen peilen auch an, dass Autofahrer, die zu einer Parkgarage oder einem privaten Stellplatz innerhalb des Cityrings wollen, künftig schon beim Verlassen des Hauptstraßenrings eine Schranke passieren müssen – und dass Besucher von einem verbesserten Parkleitsystem zu einem Parkhaus mit freien Stellplätzen gelotst werden. So möchte man unnötigen Verkehr vermeiden. Für „mobilitätseingeschränkte Menschen“ sollen Lösungen zum oberirdischen Parken gefunden werden. Zudem will man erzwingen, dass der Lieferverkehr tatsächlich auch in den dafür vorgeschriebenen Zeiten (18 bis 11 Uhr) stattfindet. Hier werden ein- und ausfahrbare Poller genannt, die „das Einfahren ohne Zufahrtserlaubnis verhindern“.

Für Waren, die für Innenstadtgeschäfte bestimmt sind, will man Plätze für die Zwischenlagerung bestimmen, für Passanten und Radfahrer Schließfächer zum Deponieren von Taschen anbieten, für Fußgänger, Radfahrer und für Lastenräder bessere Wege ausweisen. Die Zufahrten zu Parkgaragen wollen die Fraktionen als gemischte Verkehrsflächen wie in der Tübinger Straße gestalten. Prüfen soll die Verwaltung außerdem, wann die Nutzungsrechte und Konzessionslaufzeiten der Parkgaragen ablaufen werden, die nicht direkt vom Cityring aus anzufahren sind.

Aktionsbündnis muss über Bürgerbegehren beraten

An dem Antragstext war in den vergangenen Tagen von Vertretern der Fraktionen heftig gefeilt worden. Im sozialen Netzwerk Facebook war es zeitweise zu emotionalen Wortwechseln gekommen. Das lag daran, dass sich SÖS/Linke-plus Mitte Juni durch den Vorstoß von Grünen und SPD überrascht und ausgetrickst gefühlt hatten. SÖS/Linke-plus strebten bisher mit 21 anderen Gruppierungen ein Bürgerbegehren mit dem Namen „Stuttgart laufd nai“ an. Das Ziel: Das gesamte Stadtzentrum soll zu einer stark begrünten „Fußgängerzone“ werden. Eine Art Fernziel war es dabei, dass innerhalb des Cityrings nur noch Parkgaragen betrieben werden, die direkt von den Hauptstraßen anfahrbar sind. „Wir zumindest haben das nicht im Hinterkopf“, sagt SPD-Fraktionschef Martin Körner aber.

Organisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz drängten SÖS/Linke-plus dennoch, sich mit den Grünen und der SPD zusammenzuraufen, wenn sich so Zeit und Arbeit für ein Bürgerbegehren sparen ließen. Im neuen Antrag wird die sinnstiftende Wirkung des Bürgerbegehrens gewürdigt – offenbar ein Zugeständnis an SÖS/Linke-plus. Das Schicksal der Initiative ist nun aber offen. SÖS/Linke-plus erklärten, aus ihrer Sicht solle das Bündnis die Umsetzung des Antrags überwachen und begleiten – und am 14. Juli entscheiden, ob man den Plan des Bürgerbegehrens weiterverfolgt.

Beim Thema Fußgängerzone gibt es durchaus Dissens. SÖS/Linke-plus jubelten in einer Mitteilung: „Die erweiterte Fußgängerzone kommt.“ SPD und Grüne tragen das Wort im Antrag mit. Sie denken aber eher an einen Mix mit gemischten Verkehrsflächen, Spielstraßen und Radwegen. Die SPD ließ in den Antrag auch aufnehmen, dass ein florierender Einzelhandel sowie attraktive Gastronomie und Kultur zu dem angestrebten „modernen, urbanen Lebensraum“ gehören.

Verkehrsplaner: Komplette Fußgängerzone geht nicht

Der städtische Verkehrsplaner Stephan Oehler sagte dieser Zeitung, die letzte Ermittlung der Stellplätze innerhalb des Cityrings liege Jahre zurück. Wahrscheinlich gebe es dort 150 bis 200 oberirdische Stellplätze. Zuvor hatten Grüne und SPD von „100 bis 200“ gesprochen. Technisch, sagte Oehler, könne man sie schnell wegnehmen, den Platz anschließend Zug um Zug anderweitig nutzen. An vielen Stellen habe man das bereits umgesetzt. Eine komplette Fußgängerzone sei wegen Lieferverkehren, Parkhauszufahrten und privaten Stellplätze nicht möglich. Natürlich könne man prüfen, ob man weitere Straßenstücke für den Autoverkehr „herausnehmen kann“, und man könne einen gewissen Parksuchverkehr vermeiden. Ob man aber am Cityring Tickets für Parkhäuser inmitten des Straßenrings ausgeben könne, müsse man klären. Vielleicht bräuchte man dann Stauraum am Cityring für Autofahrer, die zu Parkgaragen wollen.