Der Flüchtlingsreporter Mohamad Alsheikh Ali beschreibt, wie in Syrien Weihnachten gefeiert wurde und wie syrische Christen die Adventszeit in Deutschland erleben.

Stuttgart - In Aleppo war Weihnachten ein schönes Fest. Wir Muslime haben unsere christlichen Nachbarn besucht. Es war schön anzusehen, wie unsere Freunde ihre Weihnachtsbäume geschmückt haben. Da hingen Glocken und Dekorationen aus Papier. Ganz ähnlich wie in Deutschland. Daran muss ich denken, wenn ich in der Adventszeit durch Stuttgart gehe und an jeder Ecke den Weihnachtsschmuck sehe. Natürlich, auch bei uns in Syrien war die Vorweihnachtszeit eine gute Zeit für die Händler. Die Bäume wurden in vielen Läden verkauft. Ob diese nun Christen oder Muslimen gehörten, wer wusste das schon?

 

Aleppo und andere Städte in Syrien waren immer gemischt. Menschen unterschiedlichen Glaubens lebten Tür an Tür und teilten ihre Bräuche miteinander. Ich fühle nun mit den syrischen Christen, die jetzt in Deutschland an die schönste Zeit in Syrien erinnert werden. Denn Weihnachten ist ein Fest der Familie. Doch der Krieg hat die syrischen Familien zerrissen. Meine christlichen Bekannten erleben nun ihr höchstes Fest im Exil in Deutschland. Der Schmuck in den Straßen und die Tannenbäume in den Wohnzimmern erinnern sie an ihr verlorenes Zuhause.

Kein Fest ohne die Familie

Abschor Naser stammt zum Beispiel aus Tel Tamer, ein kleines Dorf im Norden von Syrien. Sie ist eine syrische Christin, die seit zwei Jahren in Stuttgart lebt. Sie erzählt, dass sie sich keinen Baum mehr gekauft hat, nachdem sie vor drei Jahren nach Deutschland gekommen ist. „Wozu brauche ich einen Baum? Meine Familie ist in der ganzen Welt zerstreut. Mit wem soll ich denn auch Fotos aufnehmen vor dem Baum? Ich habe keine Familie hier“, sagt sie. Als sie in Syrien gelebt hat, hat sie immer einen Christbaum im Wohnzimmer aufgestellt. „In der Weihnachtszeit war die Stimmung in Syrien schöner als in Deutschland, obwohl die Vorbereitung hier toll ist“, sagt sie. Vielleicht fehlt ihr einfach nur ihre Familie. Sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages ihre Lieben wiederzusehen.

Um Mariamm ist eine Christin aus dem Irak. Sie lebt mit ihrer Familie seit zwei Jahren in Stuttgart. Um Mariamm hat auch fünf Jahre in Damaskus gelebt, bis der Krieg ausbrach. Auch sie sagt, dass sie hier noch nie Weihnachten gefeiert hat. „In Damaskus habe ich immer Süßigkeiten gebacken, und unser Haus war immer voller Gäste“, erzählt sie. Das war Weihnachten für sie in Syrien. Doch der Krieg hat den Menschen sogar das Weihnachtsfest geraubt.

Mohamad Alsheikh Ali ist ein syrischer Journalist, der seit März 2015 als Flüchtling in Stuttgart lebt. Er blickt für unsere Zeitung auf sein Leben in Stuttgart. Die Übersetzung der Kolumne übernimmt Mahmoud Youssef Ali, ein syrischer Student aus Karlsruhe.