Zum 300. Stadtjubiläum zeigt die Kunsthalle Karlsruhe die „Meister-Sammlerin“ Karoline Luise von Baden, die mit ihrem Bilderschatz das Fundament für die Gründung des Museums und seinen Bestand gelegt hat.

Stuttgart - Zu schade! „Susanna Fourment und ihre Tochter“, ein prachtvolles Porträt von Anthonis van Dyck, das sich einst im Besitz der Karoline Luise von Baden befand, gehört heute der National Gallery of Art in Washington. Es hat nun „nur“ als Leihgabe den Atlantik überquert, um vorübergehend nach Karlsruhe zurückzukehren. Als einer der Glanzpunkte der Großen Landesausstellung der Staatlichen Kunsthalle über die „Meister-Sammlerin“ des 18. Jahrhunderts hängt es den Sommer über in einem der zentralen Säle der Schau – und erinnert zugleich schmerzhaft an den „größten Fehler“ der Markgräfin, wie der Kurator Holger Jacob-Friesen sagt.

 

Denn vier Jahre, nachdem sie es erworben hatte, verkaufte Karoline Luise das Bild schon wieder weiter. Nicht etwa, weil ihr dessen außerordentliche Qualität entgangen wäre, betont der Kunsthistoriker Christoph Frank – an Expertise mangelte es der Sammlerin nicht, im Gegenteil –, sondern weil das Gemälde des Flamen viermal so viel gekostet hatte wie die Markgräfin ursprünglich dafür ausgeben wollte. Das ärgerte sie, die ihre Kunstleidenschaft aus der Privatschatulle finanzierte und deswegen haushalten musste.

Preistief während des Siebenjährigen Krieges

Aber es gab noch einen zweiten Grund, warum der Hof in Karlsruhe lediglich Zwischenstation für „Susanna Fourment“ blieb: Das ebenso großartige wie große Werk passte nicht in die Sammlung der badischen Landesmutter, weil Karoline Luise sich auf (erschwinglichere) Mittelformate konzentrierte und bei diesen eher auf die Gattungen Genre, Stilleben und Landschaft als auf Porträts. Van Dyck hätte ihre sorgfältig zusammengetragene – man kann fast sagen: komponierte – Kollektion daher in mehrfacher Hinsicht gesprengt. Und dennoch, man wünscht sich, die Markgräfin hätte eine Ausnahme gemacht, dann wäre das fabelhafte Mutter-Tochter-Bildnis jetzt nicht nur zu Besuch, sondern auf Dauer in der Kunsthalle zuhause.

So ist es eine Hauptattraktion der Schau, die zum 300. Karlsruher Stadtjubiläum auf die eigene Sammlungshistorie zurückblickt, die mit Karoline Luise erst einsetzt. Mit den gut zweihundert Werken ihrer Kollektion, von denen sich bis heute 151 in Karlsruhe befinden, legte sie das Fundament für den herausragenden Bestand des Hauses – und das, obwohl sie ausschließlich zu ihrem privaten Vergnügen und nicht aus Gründen der staatlichen Repräsentation sammelte, dabei klug das Preistief nutzend, das der Siebenjährige Krieg auf dem Kunstmarkt verursacht hatte. Ihrem Kunstverstand ist es zu verdanken, dass die Kunsthalle niederländische Meisterwerke des 17. Jahrhunderts von Teniers und Rembrandt sowie eine der besten Sammlungen französischer Malerei des 18. Jahrhunderts in Europa außerhalb Frankreichs besitzt, darunter Chardin, Boucher und Vernet.

Faible für niederländische Präzisionsmeister

Ihre Vorliebe für Mittelformate bedeutete denn auch keineswegs, dass Karoline Luise sich mit Mittelmaß zufrieden gegeben hätte. „Je crains le mediocre“, schrieb sie. „Ich dulde nichts in meinem Cabinet, das nicht perfekt ist.“ Die titelgebende „Meister-Sammlerin“ ist daher im doppelten Sinn zu verstehen: Die Markgräfin von Baden war sowohl eine Sammlerin von Meisterwerken als auch eine Meisterin im Sammeln, die ihrer Passion mit Kennerschaft und Weitblick frönte. Dass sie selbst eine talentierte Zeichnerin war, ausgebildet bei Jean-Etienne Liotard, hat zu diesem Wissen entscheidend beigetragen.

Liotard war eine exzentrische Erscheinung mit hoher Pelzmütze und Krisselbart, wie auf einem wunderbaren, aus den Uffizien angereisten Selbstporträt zu sehen. Vor allem aber war er ein Feinmaler von Rang – hierzulande bekannt besonders als Künstler des Dresdner „Schokoladenmädchens“ –, und er dürfte es gewesen sein, der die junge Prinzessin von Hessen-Darmstadt und nachmalige Markgräfin von Baden für die Feinmalerei begeisterte. Ein ausgesprochenes Faible hegte Karoline Luise daher für niederländische Präzisionsmeister wie Gerard Dou, Gabriel Metsu, Caspar Netscher und Adriaen van der Werff, die mit Historienbildern („Tod der Kleopatra“) und Genres („Die Köchin“) ins Mahlerey-Cabinet der Sammlerin Einzug hielten. Eines der schönsten Stilleben, Maria van Oosterwycks opulent-barocker „Blumenstrauß in einer Vase“, ist inzwischen ebenfalls nicht mehr in Karlsruhe daheim, sondern als Leihgabe aus Denver gekommen.

Badisches Athen

Hoch in der Gunst der Markgräfin stand daneben auch François Boucher, der mit seinen galanten Schäferstücken und mythologischen Darstellungen einen Gegenpol zum hypernaturalistischen Liotard bildete. Dass der Franzose Hofmaler Ludwigs XV. und zudem Protegé der Marquise de Pompadour war, mag Karoline Luises Sympathie dabei bestärkt haben, da die Mätresse des französischen Königs zu ihren großen Vorbildern zählte – ebenso wie andere einflussreiche Adelsdamen ihrer Zeit, die ihre Salons und Residenzen zu Mittelpunkten des geistigen und kulturellen Lebens gemacht hatten. En passant erfährt man dabei, welch tragende Rolle Frauen als Kunstliebhaberinnen damals spielten.

Und hier rückt ein Aspekt in den Blick, der die badische Markgräfin in den europäischen Kontext der Aufklärung einbindet. Hatte eine Ausstellung sie 1983 noch ausschließlich als lokales Phänomen gewürdigt, so wird die Schau über Karoline Luises Malereikabinett diesmal von einem Forschungsprojekt über den „Aufgeklärten Kunstdiskurs und die höfische Sammelpraxis“ im 18. Jahrhundert begleitet, an dem auch das Generallandesarchiv Karlsruhe und die Università della Svizzera Italiana in Lugano beteiligt waren. Erstmals wurde dabei neben dem Bilderschatz auch der schriftliche Nachlass der Markgräfin in die Untersuchung einbezogen und in Teilen ausgestellt.

Besessene Briefschreiberin

Karoline Luise war – man kann es nicht anders sagen – eine besessene Briefschreiberin. Ihre Korrespondenz mit Beratern, Agenten, Kunsthändlern, Kennern und anderen Sammlern wie Wilhelmine von Bayreuth oder Marie Christine von Österreich, aber auch Gelehrten und Geistesgrößen des kulturellen Lebens wie Voltaire oder bewunderten Pariser Salonnières wie Madame Geoffrin (verewigt auf einem eindrucksvollen Porträt von Jean-Baptiste Greuze aus der Berliner Gemäldegalerie) füllt 154 Bände. Mit 800 Zeitgenossen stand sie in brieflichem Kontakt. Die Markgräfin wird dabei sichtbar als „femme savante“, deren Interessensgebiete weit über die bildende Kunst hinausreichen. Zugleich war sie enzyklopädisch gebildete Akteurin eines europaweiten Beziehungsnetzes und Korrespondenzwesens, dem sich die Entstehung ihres Malereikabinetts wesentlich verdankt.

Das erste Objekt, auf das man in der Ausstellung stößt, ist eine Goldmedaille, auf der die junge Karoline Luise als „hessische Minerva“ erscheint, als Göttin der Weisheit. Als „Vielwisserin und Vielfragerin von Baden“ hat – leicht genervt – der Schweizer Philosoph und Schriftsteller Johann Caspar Lavater sie bezeichnet. „Da sieht’s aus wie in Athen zu Zeiten des Perikles“, notierte der württembergische Schriftsteller Christian Daniel Schubart 1776 nach einem Besuch in der jungen Residenzstadt Karlsruhe.

Ein Stundenplan von 52 Wochenstunden

Und in der Tat wird die Prinzessin von Hessen-Darmstadt schon in ihrer Jugend in den Fächern Latein, Physik, Theologie, Geografie, Epistolografie, Heraldik, Rechtshistorie, Genealogie, Poesie, Zeichnen und mehr unterrichtet. Ihr in der Kunsthalle präsentierter Stundenplan umfasst 52 Stunden in der Woche. Zu den Paradestücken der Ausstellung zählt auch ihr zierlicher Rokoko-Schreibtisch aus der Werkstatt des berühmten Kunstschreiners Abraham Roentgen.

Karoline Luises Sammlertätigkeit erstreckt sich auf nur wenige Jahre. Während des Siebenjährigen Kriegs, zwischen 1759 und 1763 hat sie die meisten Bilder ihrer Sammlung zusammengetragen, die am Ende 200 Werke umfasste. Einen Eindruck, wie es im Malereikabinett der Markgräfin zu deren Lebzeiten ausgesehen haben mag, vermittelt ein Raum in barocker Hängung, in dem die aufwendig goldgerahmten Bilder dicht an dicht hängen – geordnet nach rein ästhetischen Gesichtspunkten, die Korrespondenzen und Kontraste, Formate und Sujets hervorhoben.

Die letzte Reise führt nach Paris

In ihren späteren Jahren wandte sich Karoline Luise verstärkt den Naturwissenschaften zu, wovon die letzten Räume der Ausstellung zeugen. Und sie begab sich auf Reisen, wovon eine gesonderte, aber mit der Hauptschau über die „Meister-Sammlerin“ thematisch eng verbundene Ausstellung im Generallandesarchiv erzählt. Austausch mit den Intellektuellen ihrer Zeit, Kunst und Kultur gingen ihr auch dabei vor Erholung und Müßiggang. Nicht zuletzt wollte sie auf ihren Fahrten erkunden, wie man das Leben der Bevölkerung daheim verbessern könne – auch das ganz im Sinne der Aufklärung.

Im Ausland ist die badische Markgräfin dann auch gestorben. Ihre letzte Reise führte sie nach Paris, wo sie 1783 mit sechzig Jahren überraschend starb. Ihr Mann, Markgraf Karl Friedrich von Baden, bewahrte ihre Reiseberichte in einem kleinen Paket auf, das er mit der Aufschrift „Letzte Briefe der besten Frau“ versah, das, wie es in der Ausstellung heißt, eine neue Form „fürstlicher Privatheit“ erkennen lässt, die sich von der öffentlichen Inszenierung barocker Herrschaft deutlich abgrenzt. In dieser offiziellen Rolle der Landesmutter zeigt ein Porträt von Joseph Melling „Karoline Luise mit ihren zwei Söhnen“ (1757), das einen reizvollen Kontrast zu Liotards Porträt der jungen Karoline Luise an der Staffelei bildet.