Nelson Mandelas langjährige Assistentin Zelda la Grange erzählt in ihren Memoiren anrührende Episoden aus 19 gemeinsamen Jahren. Doch nicht alles, was sie schreibt, ist leicht und humorvoll.

Johannesburg - In gleichermaßen rührenden wie beunruhigenden Details hat Zelda la Grange, die persönliche Assistentin Nelson Mandelas, ihre 19-jährige enge Verbindung mit dem schwarzen Befreiungshelden beschrieben. Die Tochter eines konservativen Buren enthüllt in ihren von der südafrikanischen Zeitung „Sunday Times“ in Ausschnitten vorab veröffentlichten Memoiren nicht nur die liebenswürdigen Schrullen eines 27 Jahre von der Welt abgeriegelten Mannes, der la Grange anzurufen pflegte, bevor er in seiner Residenz in den Lift stieg – aus Angst, er könnte von der Außenwelt unbemerkt darin stecken bleiben. La Grange beschreibt auch die Feindseligkeiten der eifersüchtigen Mandela-Familie, die keine Gelegenheit ausließ, Mandelas Altersliebe, die Mosambikanerin Graça Machel, vor den Kopf zu stoßen.

 

  Schon die Erzählung der ersten Begegnung zwischen dem neugewählten ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas und la Grange geht unter die Haut. Die 23-jährige Afrikanerin hatte im Übergangsjahr 1994 gerade ihre Anstellung als Schreiberin im Präsidentenamt angetreten, als sie auf dem Korridor fast mit ihrem Boss zusammenstoßen wäre. Der Mann, den ihr Vater als „Terrorist“ beschimpft hatte, ergriff ihre Hand, was la Grange seltsam berührte, schließlich war es außer der Hand des Präsidenten auch die eines Schwarzen – eine Sensation, mit der die Fleischertochter erst einmal umzugehen lernen musste. Mandela sprach die Angestellte in deren Muttersprache Afrikaans an. Doch die Worte gingen an der Sekretärin vorbei. Sie brach in Hitzewallungen aus und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. „Beruhigen Sie sich doch“, redete ihr „Madiba“ gut zu: „Sie müssen nicht überreagieren.“  

Sie erzählt von Begegnungen mit der Queen oder Brad Pitt . . .

Was Mandela dazu bewog, ausgerechnet die blonde Burin zu seiner engsten Vertrauten zu machen, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Sein Sinn für die symbolische Versöhnungsgeste wird wohl zumindest eine Rolle gespielt haben. La Grange wurde zur Person, die „Khulu“ – dem Großväterchen, wie sie ihn zärtlich nannte – in den folgenden 19 Jahren mit Abstand am nächsten war. Sie trug das Aktenköfferchen mit seinen Reden, bot dem Hüftkranken ihren Arm zur Stütze beim Gehen an und hielt vor allem die unzähligen Menschen auf Distanz, die ihrem Schutzbefohlenen unentwegt auf die Pelle zu rücken versuchten. Viele der Anekdoten, die la Grange erzählt, handeln von den Begegnungen Mandelas mit „hochgestellten Persönlichkeiten“ wie der britischen Queen Elizabeth II., die der südafrikanische Präsident salopp mit dem bloßen Vornamen „Elizabeth“ anredete. Als seine Ehefrau Graça Machel die Angemessenheit seiner Anrede in Frage stellte, erwiderte Mandela, Ihre Königliche Hoheit rede ihn ebenfalls nur mit „Nelson“ an. Die Monarchin genoss offensichtlich die Vertraulichkeit mit der weltweiten Ikone.

Souveränität wurde auch Brad Pitt abverlangt, der sich von Mandela die Frage gefallen lassen musste, was er eigentlich beruflich unternehme. „Ich versuche, meinen Lebensunterhalt mit der Schauspielerei zu verdienen“, antwortete der Hollywoodstar galant.  

. . . aber auch von den Schikanen der besitzergreifenden Familie

Nicht alles, was die heute 43-Jährige zu Papier brachte, ist dermaßen leicht und humorvoll. Ausführlich widmet sich la Grange dem Zugriff, den die umfangreiche Familie des dreimal Verheirateten auf den Patriarchen ausübte, und zwar um so eiserner, je älter und wehrloser Mandela wurde. Zum Opfer des familiären Besitzanspruchs wurde in erster Linie Graça Machel, seine dritte Ehefrau. Als sie beinahe die Fassung verloren hätte, während Mandelas Krankenwagen auf dem Weg zum Hospital auf der Autobahn nachts um eins zusammenbrach und der an einer schweren Lungenentzündung Erkrankte fast eine Stunde lang bei winterlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt auf einen Ersatzwagen warten musste, wurde Machel von Mandelas Tochter Makaziwe nur noch „Ms Frantic“, Frau Aufgeregt, angeredet. Und um bei der Beerdigung ihres Ehemannes anwesend sein zu können, musste die First Lady eigens um eine Akkreditierung ersuchen.

Auch la Grange selbst wurde zum Opfer der besitzergreifenden Familie. Spätestens als Mandela seinen Willen nicht mehr äußern konnte, sei sie aus seinem Umkreis verbannt worden, berichtet die Afrikanerin. Sie werde hier nicht gerne gesehen, sei ihr bei einem Besuch in Mandelas Landhaus in Qunu beschieden worden. Zuletzt sah Zelda la Grange ihren Chef wenige Monate vor dessen Tod im Krankenhaus. Der Besuch war nur auf die Intervention von Graça Machel hin zustande gekommen. Als sie ihn mit „Hello Khulu“ ansprach, habe der todkranke Patient die Augen geöffnet. Und als ihm „Zeldina“, wie Mandela sie seit einem Russlandbesuch zärtlich zu nennen pflegte, gestand, wie sehr sie ihn vermisse, habe sich sein Gesicht zu dem aus früheren Zeiten so bekannten breiten Grinsen verzogen. So, versicherte Graça Machel der weinenden Besucherin, habe er niemand anderen mehr angelächelt.