Am Rand der Festung Europa lassen sich Geschäfte mit der Verzweiflung und Armut machen. Der Regisseur Stephan Komandarev erzählt in seinem Spielfilm von Menschenschleppern in den Bergen Bulgariens.

Stuttgart - Mit fremder Armut kann man reich werden, aus dem Elend der anderen sein Glück schmieden. Menschenschmuggler wissen das. Die bulgarisch-deutsch-mazedonische Koproduktion erzählt von diesem Geschäft, wenn auch nicht von jener tödlichen Grenze, von der uns derzeit die meisten Schreckensmeldungen erreichen. Aber gerade weil “Judgment – Grenze der Hoffnung“ kein Massensterben im Mittelmeer zeigt, kann man vielleicht genauer hinschauen auf den einzelnen Kummer.

 

Wir befinden uns im Osten der Festung Europa, in den bulgarischen Bergen nahe der Grenze zur Türkei. Die Leute sind arm, und der Witwer Mityo ist dabei, das bisschen zu verlieren, das er noch hat. Also macht er bei etwas mit, das er eigentlich nicht richtig findet. Er hat einen alten Tanklaster, und mit dem unternimmt er nun Fuhren für die Menschenschmuggler.

Brutale Opportunisten

Der Regisseur und Co-Autor Stephan Komandarev („Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“) hat einen trockenen, bösen Blick auf die Verhältnisse. Mityo war einst bei den Grenztruppen. Damals hatte er einen Kommandeur, der Schießbefehle gab und keine Verweigerung duldete. Dieser Mann ist nun der Kopf der Schmugglerbande, ein Profi der Grenzverletzung, der alte Kenntnisse und die vertraute Brutalität nun anders einsetzt. Er ist noch immer ein Opportunist, dient noch immer dem Zeitgeist und schwimmt noch immer oben.

„Judgment“ belässt es nicht bei einer Beobachtung des schmutzigen Alltags, er schafft Ausnahmesituationen. Und die sind eingebettet in eine schroffe, archaische Landschaft, die das Geschehen verändert. Dies ist keine Landschaft für Schnipsel einer Statistik, für Einzelbeispiele eines Massenschicksals. Diese Landschaft macht die ganze Tragik wieder spürbar: jeder hat eben nur ein Leben.

Judgment – Grenze der Hoffnung. Bulgarien, Deutschland, Mazedonien 2014. Regie. Stephan Komandarev. Mit Assen Blatechki, Predrag Manojlovic, Ovanes Torosian, Ina Nikolava. 113 Minuten. Ab 12 Jahren.