Im Merlin haben Kinder über Demokratie und Werte diskutiert – am Beispiel von Pippi Langstrumpf.

Stuttgart - Mein Ziel ist so frei wie möglich zu leben, aber trotzdem gut erzogen zu sein!“ Die Worte, die an der Wand des Kulturzentrums Merlin prangen, sind ein Fazit. Erarbeitet haben es die elfjährige Leonie, die siebenjährige Katharina sowie Georg und Ferdinand, beide zehn, mit dem Politikwissenschaftler Dominik Rehermann und der Kommunikationswissenschaftlerin Lena Wiesler. Die Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung haben mit den vier Kindern in dem Workshop „Mach dir die Welt, wie sie dir gefällt“ hinterfragt, „was Pippi, Annika und Tommy uns über den Sinn und Unsinn von Regeln beibringen“.

 

Seit Anfang diesen Jahres veranstalten das Merlin und die Landeszentrale gemeinsam die Reihe „Von Hogwarts nach Wakanda – Eine Reise zu Demokratie und Werten in modernen Mythen“. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche für gesellschaftliche Zusammenhänge zu sensibilisieren und das eben mit Beispielen aus deren eigener Lebenswelt. Über Harry Potter und die Freiheit der Elfen, Batman und die Selbstjustiz oder Star Wars und der Wandel von Gut und Böse haben die Referenten in den vergangenen Monaten bereits mit ihren Teilnehmern diskutiert.

Darf Pippi Langstrumpf immer machen, was sie will

Seit Generationen lesen Kinder in Pippi Langstrumpf, dass drei mal drei sechs ergibt. Ihre Abenteuer wurden mehrfach verfilmt in den 60er- und 70er-Jahren, für das Kino, für eine TV-Serie und als Zeichentrickserie. „Pippi geht nicht zur Schule, lebt allein mit Äffchen und Pferd, hat Gold von ihrem Piratenvater, ist also unabhängig, macht sich ihre eigene Welt“, sagt Lena Wiesler. Eine Ausnahme: Eine aktuelle Studie für die Süddeutsche Zeitung zeigte, dass vor allem männliche Protagonisten die Hauptrolle in Abenteuerbüchern spielen. „Bei Mädchen geht es vor allem um Alltag oder Schule“, sagt Wiesler. Auf Postkarten und Stencil-Graffitis indes heiße es „Sei Pippi nicht Annika“, meldet doch letztere im Roman immer wieder Bedenken an. „Ist das also wirklich cool, was Pippi macht?“

Dass es in der Gesellschaft wohl weniger gut ankommt, wenn Frauen oder Mädchen Missstände monieren oder gesellschaftlichen Ungehorsam zeigen, thematisierte Dominik Rehermann am Beispiel der Klimaaktivistin Greta Thunberg, die manche mit Pippi vergleichen, mutierte doch Thunberg Manchem zum Feindbild, wurde für ihre leidenschaftliche Rede bei der UN-Klimakonferenz angegangen, in der sie Politiker und Wachstumsgläubigkeit scharf kritisierte.

Kinder wollen gehört werden

Game of Thrones-Schauspieler Jason Momoa indes wurde für seine Rede über den Klimawandel bei den Vereinigten Nationen gelobt. „Dürfen nur Männer Regeln brechen“, gab Rehermann zu bedenken, nachdem er zuvor kurz in das Thema politische Partizipation einführte, „nicht-verfasste“, also Teilhabe-Formen außerhalb des gesetzlichen Rahmens, erläuterte. „Wir sind uns einig, wenn einer Autos anzündet, ist das kein politisches Statement. Aber bei gewaltlosem zivilen Ungehorsam wird es interessant.“

Dazu gehöre eben auch, ob man die Schule freitags für Klimademonstrationen bestreiken dürfe. Auch da waren sich die Kinder einig: Es brauche Regeln, normalerweise also eine Entschuldigung der Eltern, um in der Schule zu fehlen. „Aber wenn es um unser Leben geht, ist ziviler Ungehorsam legitim“, erklärte Ferdinand für alle. Kinder müssten angehört, mit ihnen diskutiert werden. Georg monierte ein Argument aus der Politik, nach dem Klimawandel was für Profis und nicht für Kinder auf der Straße sei. „Das stimmt nicht.“ Voll einverstanden waren sie mit dem Workshop. „Toll, dass es nicht nur so ein Pippi-Ding war“, sagt Ferdinand. „Sondern dass es auch um Demokratie ging.“