Mike Johnson, der neue Sprecher des US-Kongresses, ist ein Radikaler. Seine Bewährungsprobe wird bald kommen, analysiert Thomas Spang.

Mit der Wahl Mike Johnsons zum Speaker ist der US-Kongress wieder handlungsfähig. Jedenfalls bis auf Weiteres. Denn mit der Besetzung des dritthöchsten Amtes in den USA können wieder Gesetze beschlossen und Haushaltsmittel freigegeben werden.

 

Das ist die gute Nachricht vom Kapitolshügel, wo die Republikaner 22 Tage und vier Anläufe benötigten, sich auf einen Speaker zu verständigen. Dass der 51-jährige „Mister Nobody“ nicht in die gleiche Zwickmühle lief, wie die anderen Kandidaten, lässt sich primär mit seiner Unbekanntheit erklären.

Die Stunde der Wahrheit für Mike Johnson naht

Die Moderaten und Zentristen setzen darauf, dass ihre Wähler und Wählerinnen nicht wissen, wer nun an der Spitze des Kongresses steht. In absehbarer Zeit wird es sich herumsprechen, dass Johnson einer der Architekten der Anfechtung des Wahlsiegs Joe Bidens am 6. Januar 2021 im Kongress war.

Sein braver Scheitel und die smarte Brille machen ihn nicht zu einem besonnenen Politiker, der nach Kompromissen sucht. Johnson ist ein MAGA-Radikaler in Nadelstreifen. Ein Speaker nach dem Geschmack Trumps. Er profilierte sich als Kulturkrieger, Hardliner beim Abtreibungsrecht und Skeptiker an Hilfen für die Ukraine.

Unmittelbar wartet auf Johnson ein 106-Milliarden-Dollar-Hilfepaket mit Mitteln für Israel, die Ukraine, humanitäre Aufgaben und die Grenzsicherung. Da wird er Farbe bekennen müssen, ob er auf der Seite bedrohter Demokratien steht. Die Stunde der Wahrheit schlägt am 17. November, wenn die Haushaltsmittel auszugehen drohen. Dann muss der neue Speaker zeigen, ob er die Quadratur des Kreises schafft.

Andernfalls blüht ihm dasselbe Schicksal wie Kevin McCarthy, den ein harter rechter Kern für seine Bereitschaft absetzte, mangels Unterstützung in den eigenen Reihen einen Übergangshaushalt mit den Stimmen der Demokraten zu beschließen.

Immerhin gibt es nun einen Speaker, der seinen Job riskieren kann, einen Regierungsstillstand zu vermeiden. Dafür hätte sich allein seine Wahl gelohnt.

Doch Johnson glaubt, die magische Formel z u kennen, seine Freunde vom rechten Rand mit den zwei Dutzend Zentristen unter einen Hut zu bekommen. Vollmundig kündigte er an, er werde nicht nur die Kuh vom Eis bekommen, sondern binnen kürzester Zeit acht Haushaltsgesetze beschließen.

Die Republikaner wollen blockieren

Na dann viel Glück mit diesem Haufen zerstrittenen Polit-Rabauken, denen jegliches Gespür für die Realitäten abhandengekommen ist. Denn so zäh sich die Wahl zum Speaker auch gestaltete – es dürfte die leichtere Übung gewesen sein, als künftig alle „fünf Familien“ in der Fraktion auf einen Kurs einzuschwören, um überhaupt nur etwas beschließen zu können.

Johnson steht vor dem gleichen Problem, das McCarthy in den neun Monaten seiner kurzen Amtszeit nicht lösen konnte: mit einer superknappen Mehrheit zu regieren. Es braucht nicht mehr als vier Abweichler, jedes Gesetzesvorhaben zu beerdigen. Die dürften sich leicht finden lassen in einer Populisten-Truppe, die nicht gestalten, sondern vor allem blockieren will.