Ausgesprochen mild fällt der Winter im Land bisher aus. Die Folgen sind vielfältig: Der Einzelhandel bleibt auf Anoraks und Co. sitzen, während Streudienste viel Geld sparen. Wer profitiert von der Wärme und wem schadet sie?

Stuttgart - Üblicherweise ist es in Baden-Württemberg im Januar durchschnittlich minus 0,7 Grad kalt. Dieses Jahr wurden plus 2,8 Grad gemessen – es war also wie schon im Dezember deutlich zu warm. Während es in den letzten Januartagen im Nordosten Deutschlands dank eisiger Kälte aus Russland richtig frostig wurde, dauert die vergleichsweise milde Witterung im Südwesten bis heute an. Und zumindest in den kommenden Tagen ist noch keine grundlegende Änderung in Sicht – das eigentlich zu warme Winterwetter wird uns also erhalten bleiben.Das Wetter hat vielen Einzelhändlern die Geschäfte verhagelt: Erst war es zu kalt, dann zu warm – und immer passten die Sortimente nicht. Die Mode- und Lifestyle-Kette Strauss Innovation ist nach eigenen Angaben sogar zum Opfer dieser Wetterkapriolen geworden – und steht kurz vor der Insolvenz. Das Unternehmen beantragte am Donnerstag wegen der kräftigen Geschäftseinbrüche und Verluste ein Schutzschirmverfahren (siehe Seite 14).

 

Auch die deutlich größeren Warenhausketten Kaufhof und Karstadt klagen über die negativen Auswirkungen des mauen Winters. In den Regalen der Läden stapeln sich aktuell Schals, Mützen und warme Pullover. Die Kleiderständer quellen über vor Wintermänteln. Wegen der gemäßigten Temperaturen ist der Abverkauf warmer Kleidung bisher schleppend wie selten gelaufen. Und Kälte, Schnee und Eis lassen weiter auf sich warten – aus Sicht der Einzelhändler viel zu lange. „Unser Lager ist noch voller Winterartikel, und bald kommt schon die Frühjahrsware“, sagt der Filialleiter eines großen Stuttgarter Kaufhauses, der nicht namentlich genannt werden will. Wohin mit den neuen Sachen? Der Handel versucht jetzt, die Kauflust der Kunden mit Rabatten zu steigern und sie mit Sonderaktionen in die Läden zu locken.

Die Kunden profitieren von üppigen Rabatten

Etliche Geschäfte hatten bereits kurz nach Weihnachten den Winterschlussverkauf eingeläutet. Zum offiziellen Start des WSV in dieser Woche haben viele nochmals nachgelegt. Auf bereits reduzierte Artikel gibt es vielerorts weitere Rabatte. Der Einzelhandel versucht, auf diese Weise zumindest den Großteil der Winterware loszuwerden – wenn auch mit deutlich kleineren Margen als erhofft. Wegen der milden Temperaturen ist das Angebot zum Ende dieser Saison noch ungewöhnlich groß, Schnäppchenjäger kommen also voll auf ihre Kosten. Der Handelsverband Baden-Württemberg rechnet damit, dass mindestens drei Viertel aller Händler im Land sich am diesjährigen WSV beteiligen werden. „Die Kunden können in dieser Zeit mit nochmaligen – und dann ultimativen – Preisnachlässen mit bis zu 70 Prozent rechnen“, sagt die Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann. Dass der Winter bisher nicht nur ungewöhnlich warm, sondern auch meist sonnig gewesen ist, bereitet der Stuttgarter Stadtverwaltung durchaus wohlige Gefühle. Zwar geht die offizielle Heizperiode von Anfang Oktober bis Ende April, doch der Leiter der Abteilung Energiewirtschaft beim städtischen Umweltamt rechnet schon mit Einsparungen: „Wir erwarten sieben Prozent weniger Heizkosten als im Vorjahr“, sagt Jürgen Görres. Ob diese Prognose eintrifft, wird erst der abschließende Energiebericht über die gesamte Dauer zeigen. Aber die Chancen stünden gut, dass man in diesem Winter mit mehr als 15 Millionen Kilowattstunden weniger Heizenergie als zuvor für alle 1400 städtischen Gebäude auskommen könnte. Das freut auch den Kämmerer. Denn damit wären rund 1,2 Millionen Euro gespart. Entscheidend seien aber noch die Monate Februar und März, sagt Görres: „Erst wenn die auch warm ausfallen, freuen wir uns richtig.“ „Das Wetter macht in unseren Breiten zwar nicht krank“, sagt Angelika Grätz, vom Deutschen Wetterdienst, es könne aber der letzte Auslöser für Gesundheitsprobleme sein, wenn das Immunsystem angeschlagen sei. Laut der Medizinmeteorologin hat den Menschen das relativ milde Klima bisher wohl gutgetan. Die gefühlten Temperaturen, bei deren Berechnung die Experten auch Faktoren wie den Wind und die Sonneneinstrahlung berücksichtigen, lagen oft zwischen null und zwanzig Grad. „Damit bewegen wir uns im Behaglichkeitsbereich“, sagt Grätz. In der Folge seien die Bürger öfter an die frische Luft gegangen, hätten sich bewegt und so ihre Abwehrkräfte gestärkt. Dies könne dazu beigetragen haben, dass es weniger Grippefälle gab als in anderen Jahren. Große Kälte setzt dagegen geschwächten Personen, Alten oder Kranken, besonders zu. Sie blieb den Betroffenen weitgehend erspart.