Immer noch gibt es keine klaren Beweise für einen Giftgas-Einsatz in Syrien. Trotzdem treiben die USA die Planungen für einen Militärschlag massiv voran. In Deutschland sind nach einer Umfrage zwei Drittel der Bevölkerung dagegen.

Washington/Damaskus - Die USA drücken bei ihren Planungen für einen Militärschlag gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad aufs Tempo. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte dem Sender BBC, die US-Streitkräfte stünden bereit. Nach einem Bericht der „Washington Post“ erwägt US-Präsident Barack Obama einen baldigen Angriff von nur ein oder zwei Tagen Dauer. Dabei könnten die USA auf die Hilfe von Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die Türkei bauen. In London wurde das Parlament für eine Sondersitzung am Donnerstag aus dem Urlaub geholt.

 

Nach Informationen des US-Senders NBC könnten Raketenangriffe auf Ziele in Syrien bereits an diesem Donnerstag beginnen. Das hätten namentlich nicht genannte ranghohe Regierungsbeamte in Washington mitgeteilt. Die Angriffe würden sich über drei Tage erstrecken und seien in ihrem Umfang begrenzt. Dagegen sprach die „Washington Post“ von einem maximal zweitägigen Einsatz. Demzufolge würde das US-Militär Marschflugkörper von Kriegsschiffen abfeuern, die jetzt schon im Mittelmeer kreuzen, oder Langstreckenbomber einsetzen. Im Visier seien militärische Ziele, die aber nicht direkt zum syrischen Chemiewaffen-Programm gehörten.

Arabische Liga verurteilt "abscheuliches Verbrechen"

Die Arabische Liga gab dem Regime in Damaskus die Schuld an den angeblichen Giftgas-Attacken, der Rat der Liga verurteilte „dieses abscheuliche Verbrechen“. Gleichzeitig forderte er die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf, „ihre Differenzen beizulegen, damit eindeutige Maßnahmen ergriffen werden können, die den Menschenrechtsverletzungen und dem Völkermord durch das syrische Regime ein Ende setzen“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich die Entscheidung über eine deutsche Beteiligung weiter offen. Die Bundesregierung erklärte sich jedoch abermals zu „Konsequenzen“ bereit, falls sich die Giftgas-Vorwürfe gegen Assad bestätigen. Das UN-Team aus Chemiewaffen-Experten, das die Vorwürfe in der Nähe von Damaskus untersuchen soll, musste seine Arbeit wegen der angespannten Sicherheitslage unterbrechen.

USA will Beweise vorlegen

Obama hat nach CNN-Informationen noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Die US-Regierung wolle aber in Kürze Beweise vorlegen, dass das Regime hinter dem Giftgasangriff steckt, bei dem vergangene Woche Hunderte Menschen ums Leben kamen. Als unwahrscheinlich gilt, dass der Einsatz beginnt, noch während das UN-Expertenteam in Syrien ist. Zudem wird erwartet, dass sich Obama zuvor in einer Rede an die Weltgemeinschaft wendet.

Syriens Schutzmacht Russland, die ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft im UN-Sicherheitsrat immer wieder blockiert hatte, warnte mit scharfen Worten vor einem Militärschlag. Auch nach Ansicht des Irans würde ein Angriff gegen Syrien ein Chaos im gesamten Nahen Osten auslösen. Der ehemalige UN-Chefwaffeninspekteur Hans Blix warnte den Westen im „Tagesspiegel“ davor, eine Art Weltpolizei spielen zu wollen.

Griechische Zeitung: USA will zwei Stützpunkte nutzen

Nach einem Bericht der griechischen Zeitung „Kathimerini“ beantragten die USA in Athen bereits die Nutzung von zwei Militärstützpunkten. Offiziell gab es dafür jedoch keine Bestätigung. Die Stützpunkte auf Kreta und der Halbinsel Peloponnes waren bereits während des Libyen-Einsatzes 2011 von Kampfbombern genutzt worden.

An der Grenze zwischen der Türkei und Syrien sind heute schon 300 Bundeswehr-Soldaten mit Patriot-Abwehrraketen im Einsatz. Im Mittelmeer kreuzen mehrere deutsche Militärschiffe, darunter das Flottendienstboot „Oker“ mit modernster Aufklärungstechnik. Spekuliert wird auch über den Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato, in denen deutsche Soldaten sitzen.

Bei einem Treffen in Jordanien verständigten sich führende Militärs aus zehn westlichen und arabischen Staaten darauf, dass ein möglicher Angriff auf Syrien nur begrenzte Ziele verfolgen sollte. Ein Angehöriger der jordanischen Armee sagte: „Es wurde entschieden, dass begrenzte Raketenangriffe die verantwortungsvollste und nachhaltigste Antwort wären, falls die internationale Gemeinschaft gezwungen werden sollte, in Syrien zu handeln.“ Bei dem Treffen war auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, dabei.

Der Zeitpunkt des möglichen US-Militärschlags hängt laut „Washington Post“ von verschiedenen Faktoren ab: Zunächst müssten Geheimdienstinformationen über die Verwicklung der syrischen Führung in den angeblichen Giftgasangriff vervollständigt werden. Außerdem solle es Beratungen mit Verbündeten und US-Kongress geben. Zudem werde die internationale Rechtslage geprüft.

Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger lehnen einen internationalen Militärschlag gegen Syrien ab. In einer repräsentativen Umfrage für das Magazin „Stern“ sprachen sich 69 Prozent der Befragten dagegen aus. Nur 23 Prozent waren dafür. Die drohende militärische Intervention in Syrien belastete auch die Aktienmärkte. Der Dax fiel um 2,01 Prozent auf 8265 Punkte.