China veranstaltet große Militärmanöver rund um Taiwan und droht mit Krieg: ein unverhohlener Versuch der Einschüchterung.

Chinas derzeitiges Militärmanöver soll William Lai, den gerade angetretenen Präsidenten Taiwans, der die Insel eigenständig halten will, einschüchtern. Armee, Marine, Luftwaffe und Raketentruppe hat Chinas Militär am Donnerstag ausrücken lassen, um bei Taiwan Manöver durchzuführen. Diverse Einheiten waren am Donnerstag im Norden, Süden und Osten des Inselstaats positioniert, ebenso um die kleineren Inseln Kinmen, Matsu, Wuqiu und Dongyin. Li Xi, Sprecher des Militärs aus Peking, titulierte die Aktion als „harte Strafe“.

 

GrafiK. Locke Foto: dpa/Chinesisches Staatsfernsehen

Es sei die Reaktion auf „separatistische Aktionen“ aus Taiwan, so Li. Gemeint ist die erste Rede von William Lai, als er Anfang der Woche in sein Amt eingeführt wurde. Der Präsident Taiwans hatte erklärt: „Die Republik China und die Volksrepublik China sind sich einander nicht untergeordnet.“ In Taipeh folgte tosender Applaus. In Peking reagierte man mit Wut.

Taiwans Selbstständigkeit als Rotes Tuch

Die Kommunistische Partei Chinas, die seit Ende des Chinesischen Bürgerkriegs 1949 über das chinesische Festland regiert, betrachtet die Insel Taiwan als Teil ihres Territoriums. Nach Taiwan hatten sich wiederum die im Bürgerkrieg unterlegenen Nationalisten zurückgezogen und dort die Republik China etabliert – wie sich Taiwan weiterhin offiziell nennt. Bis heute strebt das von Peking aus regierte Festland aber die „Wiedervereinigung“ an – notfalls unter Zwang. Das Statement von Taiwans neuem Präsidenten Lai, die zwei Staaten seien einander nicht untergeordnet, klingt für China beinahe wie eine Unabhängigkeitserklärung, wie ein Versuch zur Sezession.

Zwar hatte Lai – den man in Peking auch nicht Präsident nennt, sondern nur „Anführer“ – immer wieder beteuert, keinen Konflikt mit China zu suchen. Aber er sagt auch, dass es gar keiner Unabhängigkeitserklärung bedürfe, weil Taiwan ohnehin ein selbstständiger Staat sei: Taiwan kontrolliert seine Außengrenzen, hat eine eigene Währung, und seit den 1990er Jahren wählen die Menschen in demokratischen Wahlen eine Regierung. Nur international – auf Druck Pekings – wird Taiwan von kaum einem Staat formal anerkannt. Für Peking ist Lai wie schon seine Vorgängerin Tsai Ing-wen abtrünnig, weil er all dies laut ausspricht und Taiwan möglichst immunisieren will gegen Druck aus Peking. Er strebt nach mehr ökonomischer Verzahnung mit demokratischen Staaten. China solle künftig nicht mehr der wichtigste Handelspartner sein. Auch will Lai über die Halbleiterindustrie hinaus weitere Sektoren von globaler systemischer Bedeutung in Taiwan fördern. China passt all dies nicht.

„Zerschmetterte Schädel“

Die Nachrichtenagentur AFP zitierte eine Warnung von Pekings Außenamtssprecher Wang Wenbin: „Die Unabhängigkeitskräfte werden mit zerschmetterten Schädeln und im Blut enden.“ Wang hat eine „vollständige Vereinigung mit Taiwan“ angekündigt. Die Manöver sollen am Freitag weitergehen. Weitere Wirtschaftssanktionen gegenüber Taiwan gelten als wahrscheinlich.

Die Marinemanöver machen deutlich, dass China großen Schaden in Taiwan anrichten könnte ohne auch nur einen Schuss abzufeuern: Durch eine Seeblockade könnte Taiwan von Importen für Energie abgeschnitten werden. Die Hilfe durch Staaten wie die USA oder Japan, die im Fall eines Angriffs Unterstützung für Taiwan angedeutet hatten, würde behindert. William Lai muss sich wohl auf eine härter werdende Gangarts Chinas einstellen.