Oldtimer sind Wertanlagen. Mit historischen Fahrzeugen werden Milliarden umgesetzt. Auch Kriminelle mischen zunehmend mit.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Stuttgart - Viele Oldtimer werden längst wie Kunstwerke gehandelt. Und wie bei wertvollen Bildern alter Meister gilt: Je seltener die Oldtimer sind, je prominenter und lückenloser die Historie ist, desto teurer sind sie. Ähnlich wie ausgesuchte Bilder sind Top-Fahrzeuge mittlerweile mehrere Millionen Euro teuer und werden von Finanzprofis und Autohändlern in Zeiten der Krise als sichere und lukrative Wertanlage gepriesen. Für viele finanzstarke Käufer gehört es zudem zum guten Ton, einen repräsentativen Oldtimer zu besitzen. Auf Messen und Auktionen gehören Investitionen von mehreren 100 000 Euro pro Auto zum Standard. Einzelne Stücke bekannter Luxusmarken wie Bugatti, Ferrari, Bentley und Mercedes oder seltene Exemplare längst untergegangener Marken wie Horch erzielen deutlich höhere Preise: 16,4 Millionen Dollar zahlte ein Sammler 2011 auf der jährlichen, hochexklusiven Auktion im kalifornischen Küstenstädtchen Pebble Beach für einen Ferrari 250 Testa Rossa aus dem Jahr 1957 – das teuerste Auto, das je versteigert wurde.

 

Doch mehrere Millionen investieren Sammler weltweit nur für außergewöhnliche Exemplare: „Der Durchschnittswert eines Oldtimers beträgt in Deutschland rund 15 000 Euro und den meisten Besitzern ist der Spaß an ihrem Auto viel wichtiger als sein Wert“, meint Frank Wilke, Analyst bei Classic-Car-Tax. Das Bochumer Unternehmen erstellt regelmäßig Oldtimer-Studien und -Gutachten. Die Daten zeigen, dass historische Fahrzeuge insgesamt stetig an Wert gewinnen. Doch dem stehen erhebliche Kosten für Wartung, Reparatur, Steuern, Versicherung und einen Garagenplatz gegenüber. Die Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) in Ostfildern analysiert den Automarkt detailliert und listet durchschnittliche Kosten von jährlich etwa 2100 Euro für einen Oldtimer auf. Allein Wartung und Reparatur schlagen mit 1400 Euro zu Buche. „Der Reparaturaufwand läge noch weit höher, wenn alle Do-it-yourself-Arbeiten mit einbezogen wären“, heißt es im DAT-Report.

Die Zahl der Pkw mit einem historischen Kennzeichen (H-Kennzeichen) in Deutschland ist 2011 laut Kraftfahrtbundesamt auf 231 107 gestiegen (siehe Grafik), 37 000 sind es allein in Baden-Württemberg. Ein steuer- und versicherungsbegünstigtes H-Kennzeichen bekommen nur Fahrzeuge, die strenge Zustands- und Originalitätskriterien erfüllen. In Deutschland sind insgesamt 390 000 Autos registriert, die älter als 30 Jahre alt sind.

Trend zum Oldtimer

Der Immobilienökonom Martin Halder hat sich den verstärkten Trend zum Oldtimer auf seine Art zunutze gemacht, er ist das für Liebhaber hochemotionale Thema zunächst nüchtern wissenschaftlich angegangen. Im Rahmen seiner akademischen Arbeit zur „zielgruppenorientierten Immobilienkonzeption“ identifizierte er die Oldtimerfreunde als „klar umrissene, umsatzstarke Gruppe, der ein Treffpunkt für Gleichgesinnte fehlt“ – heraus kam das Meilenwerk-Konzept. Der Schwabe aus Tettnang hatte die Idee, Oldtimer mit historischen Industriegebäuden zu kombinieren und daraus kein Museum, sondern ein Geschäft zu machen. Der 43-jährige Chef der Berliner Meilenwerk AG mit 13 Beschäftigten entwickelt gemeinsam mit den Immobilienbesitzern und Investoren Oldtimerzentren. Die Meilenwerk AG ist Lizenzgeber der Immobilienprojekte und hält die Namensrechte. Charakteris-tisch für ein Meilenwerk sind neben Oldtimerhändlern und Werkstätten gläserne Mietgaragen, Ersatzteil- und Zubehörläden sowie ein Hotel und Gastronomie.

In Böblingen ist das Meilenwerk seit 2009 in einem der ersten Flughäfen Deutschlands untergebracht, in Hamburg wird ein denkmalgeschütztes Kraftwerk das historische Ambiente bieten, in Berlin zieht das Meilenwerk in ein ehemaliges kaiserliches Munitionsdepot auf der Havelinsel Eiswerder und in Horgen am Zürichsee in eine alte Webmaschinenfabrik. An den drei neuen Standorten werden etwa 100 Millionen Euro investiert, innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre sollen sie eröffnet werden. Die Meilenwerk AG wird die drei Zentren selbst managen; Halder behebt damit einen konzeptionellen Fehler, wie er sagt. Den Meilenwerk-Standorten Berlin-Moabit, eröffnet 2003, und Düsseldorf (2006) hat er 2011 die Lizenz entzogen, weil er befürchtete, dass das lokale Management „durch die Art der Objekt- und Markenführung ‚Meilenwerk’ als Oldtimermarke beschädigen könnte“.

Das Geschäft mit Oldtimern habe noch großes Potenzial, sagt Halder, selbst Eigner mehrerer Exemplare. Vor 20, 30 Jahren sei die Voraussetzung für das Fahren eines Oldies gewesen, selbst daran schrauben zu können; die Szene habe sich erst langsam entwickelt. Heute ist die Zielgruppe riesig, es gibt ein bis ins Kleinste differenziertes Angebot. „Nur zehn Prozent der Oldtimerbesitzer sind in der Lage, selbst zu schrauben“, sagt Halder. Mit Ländern wie Russland und Brasilien eröffneten sich neue Märkte. Etwa sieben Milliarden Euro jährlich würden in Deutschland im Oldtimerbereich umgesetzt: mit Fahrzeugen und ihrer Instandhaltung, mit Bekleidung, Veranstaltungen und Reisen.

Milliarden sind im Spiel

Doch wo viele Milliarden im Spiel sind, mischen auch Kriminelle mit. Der Heidelberger Rechtsanwalt Michael Eckert, seit mehr als zehn Jahren unter anderem auf Oldtimerrecht spezialisiert, setzte sich anfangs mit alltäglichen Problemen wie der Gewährleistung bei Kauf, Werkstattarbeiten, Versicherungsfragen oder Diebstählen auseinander. Heute hat jeder dritte Fall Eckerts mit „gefälschten Oldtimern“ zu tun. Seit einigen Jahren tauschen Anwälte sogar auf dem von Eckert initiierten Oldtimerrechtstag ihre Erfahrungen aus – was zeigt: das Geschäft mit historischen Fahrzeugen hat längst auch eine beträchtliche juristische Komponente.

Eckert sieht für die Zunahme von Betrugsfällen einen zentralen Grund: „Manche Käufer haben keine Ahnung von Oldtimern, aber dafür eine Menge Geld.“ Der 56-Jährige schraubt selbst an seinen beiden Oldies von Mercedes-Benz, einem 190 SL, Baujahr 1957, und einem 220 S Ponton von 1959.

Früher bestand die Oldtimerszene „aus einem kleinen Zirkel von Schraubern, für die Blender relativ schnell zu erkennen waren“, sagt der Anwalt. Heute werden rund um die Welt gut gemachte Fälschungen in gepflegtem Ambiente verkauft. Eckert berichtet Abenteuerliches. So hat ein Hamburger einen in ordentlichen Stückzahlen vorhandenen Porsche 911 SC in ein seltenes, an die Rennsportversion angelehntes RS-Modell von Anfang der 70er-Jahre umbauen lassen und für 150 000 Euro verkauft. Für einen SC hätte er etwa 50 000 Euro bekommen. Versehen wurde der SC mit einer Original-Fahrgestellnummer eines RS, die eigentliche Nummer wurde nicht herausgeschliffen, das hätten Experten sofort erkannt. Vielmehr wurde „großflächig Metall herausgetrennt, ein neues Stück eingeschweißt, die neue Nummer eingeschlagen und das Ganze frisch lackiert“, wie Eckert erläutert. Bei Restaurierungsarbeiten fiel der Schwindel auf, der Käufer klagte und bekam sein Geld zurück.

Oder die Variante „aus einem Fahrzeug mach‘ drei“: Dabei werden die Originalteile beispielsweise eines seltenen Vorkriegs-Bugatti oder -Mercedes auf drei Fahrzeuge verteilt; eines behält die Originalfahrzeugnummer, die beiden anderen bekommen Nummern von verschollenen Fahrzeugen, die so auf wundersame Weise wieder auftauchen und Liebhaberpreise erzielen. „Die Betrüger beziehen ihre detaillierten Informationen aus gut aufbereiteten Firmenhistorien, alles sieht authentisch aus“, sagt Eckert.

Gegen Betrüger schützen

Die Hersteller versuchen sich und die Oldtimerliebhaber gegen Betrüger zu schützen. „Ein Fahrzeugeigentümer kann von uns eine Expertise erstellen lassen. Sein Mercedes-Oldtimer wird dabei bis ins kleinste Detail durchleuchtet“, sagt Malte Dringenberg von Mercedes-Benz Classic in Stuttgart. Die Gutachter können auf eines der ältesten Unternehmensarchive weltweit zurückgreifen, ihre Arbeit ist fast schon kriminalistisch: Daimler hat mit Hilfe des Bundeskriminalamtes ein Verfahren zur Markierung entwickelt. Es soll verhindern, dass ein Fahrzeug, für das eine Expertise erstellt wurde, zerlegt und die Teile zum Aufbau weiterer oder zur Ergänzung bestehender Fahrzeuge ohne Expertise genutzt werden, wie Dringenberg erläutert. Bis zu 15 000 Euro kostet eine Expertise je nach Modell. Der Gesetzgeber unterstützt die Unternehmen im Kampf gegen Betrug: Mit dem Geschmacksmusterschutz lässt sich das Design der Fahrzeuge urheberrechtlich schützen.

Mit Fälschungen macht die deutsche Justiz kurzen Prozess. Erst im vergangenen Jahr ist ein nachgemachter Mercedes 300 SL, den ein russischer Geschäftsmann in Deutschland gekauft hatte, vom Zoll entdeckt, auf gerichtliche Anordnung zerlegt und die Karosserie, bestehend aus Plastik, entsorgt worden. In den vergangenen fünf Jahren hat der Wert eines originalen „Flügeltürers“ um 50 Prozent zugelegt. Die Design-Ikone koste heute rund 900 000 Euro – Tendenz steigend, sagt Dringenberg. Der Russe hatte sein Exemplar für einen Bruchteil davon erworben.