Geringfügig Beschäftigten stehen bezahlter Urlaub und Lohn im Krankheitsfall zu – doch nicht wenige Betriebe verweigern dies.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - In den vergangenen Tagen haben sich viele Minijobber bei der StZ gemeldet, die von ihren Erfahrungen mit den Arbeitgebern erzählt haben. Oft würden die Chefs ganz offen sagen, dass sie weder bezahlten Urlaub noch Lohn im Krankheitsfall gewähren, obwohl jeder Minijobber darauf einen gesetzlichen Anspruch hat. Ohnmacht und Wut - das sind die Gefühle, die die Minijobber oft geäußert haben. Vier Berichte drucken wir auf dieser Seite ab.

Auch große Ketten weigern sich


Auffällig ist dagegen, dass offizielle Stellen sich nicht melden; anscheinend sieht man weder im Bundesministerium für Arbeit noch bei der Minijob-Zentrale in Essen Handlungsbedarf. Dabei lassen einige Berichte von Minijobbern vermuten, dass nicht nur kleine Firmen oder Privathaushalte gegen das Gesetz verstoßen, sondern auch große Ketten. Entwarnung gibt der Gesamtpersonalrat der Stadt Stuttgart: "Uns liegen keine Klagen vor", sagt Uwe Theilen. Auch im Klinikum Stuttgart, wo viele Teilzeitbeschäftigte arbeiten, sei alles in Ordnung, so Personalrat Jürgen Lux.

Dies könne man für die Reinigungsbranche nicht behaupten, betont Daniela Weisel, Gewerkschaftssekretärin bei der IGBau. Zwar würden die Zustände langsam besser, weil die Gewerkschaft seit langem Aufklärung betreibe, "aber noch immer wird da viel Schindluder getrieben". Arbeitgeber würden manchmal bewusst falsche Informationen an die Minijobber weitergeben, um Lohnkosten zu sparen.

Manchen Chefs nimmt man dagegen ab, dass sie schlicht aus Unwissenheit gehandelt haben. So berichtete eine Frau der StZ, dass sie 30 Jahre lang als Minijobberin gearbeitet habe: "Nie gab es auch nur den Hauch einer Bemerkung seitens des Arbeitgebers oder anderer Mitarbeiter, dass es solche Rechte gibt." Dabei war sie in Unternehmen mit bis zu 2000 Mitarbeitern tätig.

Der Druck, für wenig Geld arbeiten zu müssen, nimmt zu


Als sie 1995 selbst eine Firma gründete, sei sie trotz regelmäßiger Fortbildungen nie über die Regeln informiert worden. Als dann eine ihrer Minijobberin diese Bezüge einforderte, habe sie vier Tage und unzählige Anrufe gebraucht, um sich Klarheit zu verschaffen. Sie habe das Geld auszahlen wollen, doch da hatte die Beschäftigte schon das Arbeitsgericht eingeschaltet.

Viele Minijobber beklagen aber nicht allein die Tatsache, dass ihnen bezahlter Urlaub und Gehalt bei Krankheit vorenthalten wird. Der katholische Betriebsseelsorger Guido Lorenz hört immer wieder, dass der Druck, länger zu arbeiten, für weniger Geld zu arbeiten oder auch bei Krankheit zu arbeiten, zunehme: "Das belastet viele Menschen sehr, denn sie können es sich nicht leisten, den Job zu verlieren."

Daneben kritisieren viele Minijobber, dass sie nicht krankenversichert sind. Wer vom Minijob lebt und sich nicht in der Familie mitversichern lassen kann, muss tief in die Tasche greifen: 138,40 Euro pro Monat beträgt laut AOK-Sprecher Sascha Kirmeß die Mindestgebühr in der Krankenkasse - das ist ein Drittel des Monatslohns.